Film­abend DKP Köln-Innenstadt

Diens­tag den 26. Juni 2018, 19.30 Uhr, Frei­den­ker­zen­trum Bay­en­straße 11

Wir zei­gen:
THE NAVI­GA­TORS
GB 2001, 95 Min., Regie: Ken Loach, mit: Dean Andrews, Tho­mas Craig, Joe Duttine

Einer die­ser groß­ar­ti­gen trau­rig-komi­schen Filme über die Kon­se­quen­zen der Poli­tik der Neuen Mitte, wie sie wohl nur in Eng­land ent­ste­hen: Eine Gruppe bri­ti­scher Eisen­bahn­ar­bei­ter wird pri­va­ti­siert, und das heißt in ers­ter Linie Ent­so­zia­li­sie­rung. Die Gehäl­ter wer­den dras­tisch gekürzt, bezahlt wird nur noch nach Leis­tung, Urlaubs­geld ent­fällt ganz. Die Arbei­ter haben die reiz­volle Wahl, sie kön­nen die neuen Arbeits­ver­träge unter­schrei­ben, oder nicht.
Ken Loach schaut zu Beginn eini­gen Gleis­ar­bei­tern dabei zu, wie diese prä­zise, pro­fes­sio­nell und zugleich ent­spannt Witze rei­ßend ihren Job erle­di­gen. Durch eine kon­ven­tio­nelle Mon­tage wird leicht­hin Span­nung auf­ge­baut, also das, was man ohne­hin erwar­tet, wenn sich ein Zug einer Gruppe von Gleis­ar­bei­tern nähert und die Kame­ra­ein­stel­lung etwas zu lange auf einem Fuß oder einer Wei­che ver­harrt. Doch hier löst sich die Span­nung in Rou­tine auf. Kurz vor Schluss wird es dann in der Tat einen töd­li­chen Unfall auf den Glei­sen geben, doch dann weiß man um die Gründe des Unglücks, die alles andere als ein zufäl­li­ges Unglück sind. „The Navi­ga­tors“ funk­tio­niert eben nicht über dra­ma­tur­gi­sche Kon­ven­tio­nen, son­dern über die Auf­klä­rung der Ver­hält­nisse. Nicht nur in die­sem Punkt ver­wei­gert sich Ken Loach den Kon­ven­tio­nen. So beginnt der Film, indem er die Selbst­wahr­neh­mung sei­ner Prot­ago­nis­ten reproduziert.

Nach der Pri­va­ti­sie­rung der bri­ti­schen Eisen­bahn ändern sich die Arbeits­be­din­gun­gen für eine Gruppe von Gleis­ar­bei­tern zunächst nur unmerk­lich, bis sie die mör­de­ri­schen Aus­wir­kun­gen der neuen Öko­no­mie in allen Kon­se­quen­zen erfah­ren müs­sen. Ein enga­gier­ter Film mit Arbei­tern, der die Dia­lek­tik von Pri­vat­heit und Öffent­lich­keit, Soli­da­ri­tät und Klas­sen­be­wusst­sein vor Augen führt. Die halb-doku­men­ta­ri­sche Insze­nie­rung ver­mit­telt prä­zise Infor­ma­tio­nen über die bri­ti­sche Gesell­schaft und deren Arbeits­welt.
Die 1994 pri­va­ti­sierte bri­ti­sche Eisen­bahn­ge­sell­schaft Rail­track war im Jahre 2001 am Ende. Das Manage­ment der bör­sen­no­tier­ten Firma Rail­track, die bei der Zer­schla­gung der staat­li­chen Bri­tish Rail acht Jahre zuvor die Ver­ant­wor­tung für Gleise, Signale und Sta­tio­nen erhielt, hatte zuvor ver­geb­lich um eine Geld­spritze der Regie­rung gebe­ten.
Die eng­li­sche Pri­va­ti­sie­rung schei­terte vor allem daran, dass Rail­track die not­wen­di­gen Inves­ti­tio­nen in das über Jahr­zehnte ver­nach­läs­sigte Eisen­bahn­netz zunächst völ­lig ein­stellte. Die Fol­gen waren fatal: Nach meh­re­ren schwe­ren Eisen­bahn­un­glü­cken wurde Rail­track von einer amt­li­chen Unter­su­chungs­kom­mis­sion schwe­rer Ver­säum­nisse beschul­digt. Im Anschluss an den Unfall in der Sta­tion Lon­don-Pad­ding­ton, bei dem 31 Men­schen ums Leben kamen, for­der­ten unab­hän­gige Exper­ten eine grund­sätz­li­che Neu­or­ga­ni­sa­tion. Damit sollte das Unter­neh­men von der Ver­pflich­tung befreit wer­den, für die Aktio­näre Pro­fite zu erwirt­schaf­ten, dem eigent­li­chen Sinn der Pri­va­ti­sie­rung öffent­li­chen Eigen­tums.
Die Zer­schla­gung von Bri­tish Rail war 1994 die letzte große Pri­va­ti­sie­rungs­ak­tion der kon­ser­va­ti­ven Regie­rung. Sie endete 1997, einen Monat vor dem Sturz der Regie­rung von John Major. Rail­track hatte die Ver­ant­wor­tung für 32.000 Kilo­me­ter Schie­nen und 2.500 Bahn­höfe bekom­men, wäh­rend zugleich 25 Eisen­bahn­ge­sell­schaf­ten und eine Auf­sichts­be­hörde gegrün­det wur­den. Die Rail­track-Aktien stie­gen vom Aus­ga­be­kurs (3,80 Pfund) zunächst schnell auf 17 Pfund. Im Novem­ber 1999, einen Monat nach dem Unglück von Pad­ding­ton, machte Rail­track noch einen Gewinn von einer Mil­lion Pfund pro Tag.
Meh­rere Unglü­cke, zuletzt in Hat­flied im Okto­ber 2000 (vier Tote), zwan­gen Rail­track dazu, die lange ver­nach­läs­sigte War­tung des Schie­nen­net­zes dann tat­säch­lich in Angriff zu neh­men. Im Mai 2001 wies Rail­track des­halb erst­mals einen Ver­lust aus. Er betrug 534 Mill. Pfund. Nach einer Aus­wechs­lung des Rail­track-Chefs Gerald Cor­bett durch John Robin­son und des­sen Ent­schul­di­gung für «ein fürch­ter­li­ches Jahr» erholte sich der Akti­en­kurs nicht mehr. Er betrug am ver­gan­ge­nen Frei­tag 2,80 Pfund – weni­ger als der Aus­ga­be­kurs 1994. Das Ende von Rail­track als Akti­en­ge­sell­schaft wurde vor allem von Gewerk­schaf­tern und Labour-Poli­ti­kern, die bereits 1994 gegen die Pri­va­ti­sie­rung der bri­ti­schen Eisen­bahn waren, als Bestä­ti­gung ihrer Befürch­tun­gen gewertet.

Wie immer gibt es auch eine Mahl­zeit und ein Glas Wein dazu. Spen­den sind willkommen.

Wolf­gang