Bei­set­zung der sterb­li­chen Über­reste des Genos­sen Rein­hold Ages

Wie ange­kün­digt fand die Bei­set­zung am heu­ti­gen Frei­tag Nach­mit­tag statt (20.3.2015).

Unter einer gro­ßen Betei­li­gung sei­ner Fami­lie, von «Borus­sia Kalk» und der DKP und vie­len wei­te­ren Freun­den wurde vor­her eine wür­dige Trau­er­feier in der Halle des Mül­hei­mer Fried­ho­fes durch­ge­führt. Der Andrang war so groß, das sich ein Teil der Anteil­neh­men­den durch das geöff­nete Por­tal Gehör ver­schaff­ten musste.
Rein­holds Enkel Marco erin­nerte sei­nes Opas in bewe­gen­den Wor­ten. Mehr konnte er nicht durch­ste­hen.
Er über­gab anschlie­ßend dem Ver­tre­ter des Kreis­vor­stan­des der DKP-Köln, Achim Lebrun, das Wort.
Der stellte unter ande­rem den Zusam­men­hang von «Sein und Bewußt­sein», der beson­ders bei Rein­hold seine prak­ti­sche Bestä­ti­gung fand, dar.
Anschlie­ßend wurde die Urne auf dem Fried­hof beigesetzt.

Fotos von Klaus Stein
Hier die Rede des Kreis­vor­stan­des der DKP-Köln:

Liebe Liane, Peter und Marco,
liebe Fami­lie, liebe Trauernde.

Der Tod eines Men­schen bewirkt bei vie­len Trauer. Im Falle von Rein­hold einer gro­ßen Schar von Ver­wand­ten: Sei­nem Bru­der und sei­ner Schwes­ter, den bei­den Söh­nen und meh­re­ren Enkelkindern.

Über seine Fami­lie, den Fuß­ball­ver­ein „Borus­sia Kalk“ und den Natur­freun­den hin­aus – und das ist das beson­dere an Rein­hold – gibt es noch eine wei­tere Gruppe von Men­schen, die um ihn trau­ert.
Das sind die Genos­sin­nen und Genos­sen sei­ner Par­tei, für die zu spre­chen ich gebe­ten wor­den bin.

Der Par­tei, die ihm neben Fami­lie und „Borus­sia Kalk“ sein Leben bedeutete.

Im Spät­som­mer des ver­gan­ge­nen Jah­res erreichte uns die Nach­richt sei­ner der­zeit ein­deu­tig dia­gnos­ti­zier­ten Erkran­kung. Schnell machte diese Hiobs­bot­schaft in unse­rer Par­tei die Runde. Betrof­fen­heit brei­tete sich aus, denn er war einer der Alten, von denen wir Jün­gere noch so viel wis­sen und ler­nen woll­ten.
Die per­sön­li­che Betreu­ung sei­tens sei­ner Par­tei­gruppe war schon seit lan­gem durch Rein­hards sowie wei­te­ren, regel­mä­ßig statt­fin­den­den Haus­be­su­chen gege­ben.
Sie wur­den nun ergänzt durch die Visi­ten der Genos­sin­nen und Genos­sen ande­rer Par­tei­grup­pen.
Rein­hold wollte sich nicht so schnell sei­nem Lei­den erge­ben. Er wehrte sich dage­gen, so plötz­lich aus dem Leben zu schei­den. Und so nahm er wei­ter­hin an den Akti­vi­tä­ten sei­ner Par­tei teil. Beim Som­mer­fest der Innen­stadt­gruppe des vori­gen Jah­res – dem er unbe­dingt bei­woh­nen wollte – kaufte er sich noch 2 Bücher. „Das nennt man Opti­mis­mus“, dachte ich mir. Aber wir beide wuß­ten: Es ist nur ein Auf­schub. Sie bis zum Ende zu lesen schaffte er lei­der nicht mehr.

Das Sein bestimmt das Bewußtsein

Zur Welt kam Rein­hold – wie ich zu mei­nem Erstau­nen erst kürz­lich erfuhr – nicht in Kalk, son­dern in Riehl, einem gänz­lich anders gepräg­ten Stadt­teil. Riehl war damals wenig indus­tri­ell und gewerb­lich beschaf­fen – eher geho­be­nen Stan­dards.
Da die Eltern ihren Wohn­sitz 1939 von Riehl nach Kalk ver­leg­ten, gab es in sei­nem Wer­de­gang nun zwei Wohn­um­fel­der mit sehr unter­schied­li­cher sozia­ler Zusam­men­set­zung. So wie Rein­hold sich in der Folge ent­wi­ckelte, war jedoch das Milieu Kalks ausschlaggebend. 

Wie dem auch sei: Sie muß­ten über die damals noch junge Mül­hei­mer Brü­cke den Rhein über­que­ren. Ein Vor­gang mit Sym­bol­cha­rak­ter! Denn diese erst 10 Jahre zuvor errich­tete Rhein­über­que­rung, deren Bau mit Befür­wor­tung der KPD Stadt­rats­frak­tion zustande kam, wurde zum Bin­de­glied zwi­schen zwei Wel­ten: Sie war die Ver­knüp­fung vom grü­nen Stadt­teil zum grauen Veedel – von Riehl nach Kalk. 

Kalk, das war ein­mal neben eini­gen ande­ren Stadt­tei­len Kölns der klas­si­sche Arbei­ter­stadt­teil. Hier leb­ten und arbei­te­ten die ein­fa­chen Men­schen. Hier wurde der die Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­tion revo­lu­tio­nie­rende Kunst­dün­ger in der che­mi­schen Fabrik Kalk erst­mals in gro­ßem Maß­stab indus­tri­ell her­ge­stellt. Klöck­ner Hum­bold Deutz, Stahl­bau Lie­se­gang und viele wei­tere Gewer­be­be­triebe bil­de­ten nun das neue Wohn­um­feld der Fami­lie Ages. Schon als Kind spürte Rein­hold den har­ten All­tag der Arbei­ter, aller­dings wohl eher unbewußt. 

Sein Eltern­haus ent­sprach dem der meis­ten ande­ren Kal­ker Arbei­ter­fa­mi­lien – und es gab sei­nen Lebens­weg vor: Zuerst Voks­schule und anschlie­ßend die Auf­nahme einer Beschäf­ti­gung. Zuerst bei der Bun­des­bahn und dar­auf fol­gend in ver­schie­de­nen metall­ver­ar­bei­ten­den Betrie­ben. Rein­hold reihte sich damit in die gesell­schaft­li­che Klasse ein, die erst die Werte schafft.
Eine wei­tere Bege­ben­heit, die ihm zu Den­ken gab, war der mit dem Über­fall auf Polen am 1. Sep­tem­ber 1939 begon­nene Erobe­rungs­krieg. Die eben genann­ten Fabri­ken ver­dien­ten daran. Auf Rein­hold wirkte sich das so aus, dass er sich 1945 – sofort nach der Befrei­ung vom Faschis­mus – Gedan­ken über eine fried­li­che­rere Welt machte. Sein Vater – selbst Kom­mu­nist – gab ihm dabei sozu­sa­gen eine Steil­vor­lage.
Rein­hold orga­ni­sierte sich poli­tisch – gegen Krieg und für die Hebung der Lebens­ver­hält­nisse der Arbei­ter. Sei­ner sozia­len Lage und damit der Situa­tion sei­ner Klasse war er sich nun bewußt. 

Aus dem „Lob der Dia­lek­tik“ von Ber­tolt Brecht
An wem liegt es, wenn die Unter­drü­ckung bleibt?
An uns.
An wem liegt es, wenn sie zer­bro­chen wird? Eben­falls an uns.
Wer nie­der­ge­schla­gen wird, der erhebe sich!
Wer ver­lo­ren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der auf­zu­hal­ten sein?
Denn die Besieg­ten von heute sind die Sie­ger von mor­gen
Und aus Nie­mals wird: Heute noch!

Rein­hold war nicht aufzuhalten.

Neben sei­nem gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ment, das ihn nun auch über­re­gio­nal agie­ren ließ, blieb er aber stets auch der “Kal­ker Jung“.
Seine Frei­zeit, also die Zeit nicht nur neben beruf­li­cher, son­dern auch neben poli­ti­scher Tätig­keit, ver­brachte er beim „SC Borus­sia Kalk“, der sozu­sa­gen seine zweite Fami­lie dar­stellte. 76 Jahre sei­nes Lebens war er mit ihr liiert. Das ist ein Jubi­läum, von denen es nicht viele in Deutsch­land gibt. Auf der Home­page sei­nes Ver­eins befin­det sich neben den selbst­ver­ständ­li­chen Infor­ma­tio­nen auch eine Gra­fik:
„Kal­ker Borus­sen gegen Ras­sis­mus“.
Die Abbil­dung zeigt Wade und Fuß eines Ball­spie­lers, der gegen ein Haken­kreuz tritt – es zer­bricht! Wie ich Rein­hold kenne, war er der Initia­tor. Oder?

Auf sei­ner Inter­net­seite läßt der Ver­ein über Rein­hold verlauten:

In sei­ner lan­gen Lauf­bahn bei Borus­sia Kalk beklei­dete er ver­schie­dene Ämter und war bis zuletzt für den Ver­ein tätig, ganz beson­ders für die Jugend hatte er immer ein offe­nes Ohr.
Kein Ande­rer kannte den Ver­ein bes­ser als er.
Wir wer­den ihn vermissen!

Als Kom­mu­nis­ten sind wir Athe­is­ten. Wir glau­ben nicht an ein Leben nach dem Tod.
Die Tätig­keit des Gehirns ist an die Phy­sis des Kör­pers gebun­den. Bei Aus­set­zen der Kör­per­funk­tio­nen ist auch das Bewußt­sein nicht mehr vor­han­den.
Aber bei­des macht den Men­schen erst aus – machte Rein­hold aus.
Rein­hold, der alte Hau­de­gen, wird bei uns in bes­ter Erin­ne­rung bleiben.

„Das Sein bestimmt das Bewußt­sein“,
wie wir Mate­ria­lis­ten zu sagen pfle­gen.
Rein­holds Sein habe ich oben ange­ris­sen.
Es bestimmte seine Entwicklung.

Rein­hold hat ein ereig­nis­rei­ches Leben voll­endet.
So ist er für seine Ver­wand­ten Vater und Opa,
für His­to­ri­ker ein Stück Stadt­ge­schichte,
für die Fuß­bal­ler in Kalk ein Stück „Borus­sia Kalk“ und für unsere Par­tei ein Stück Parteigeschichte!

Freuen wir uns dar­über, dass er 85 Jahre bei uns war.

Achim