Der Rumms nach dem Wumms

Nach dem Beschluss des BVerfG zu Sondervermögen

Die Bun­des­re­gie­rung schei­tert mit dem Haus­halts­plan
Die Wirt­schafts­pro­gno­sen schwan­ken. Die Bun­des­re­gie­rung hatte noch im April 2023 für das Jahr 2023 ein Wachs­tum des BIP von plus 0,4% vor­her­ge­sagt. Die Gemein­schafts­dia­gnose der füh­ren­den Wirt­schafts­for­schungs­in­sti­tute kam im Sep­tem­ber 2023 indes auf minus 0,6%. Aber bezo­gen auf das nächste Jahr sind sich alle darin einig, dass die Rezes­sion wie von selbst ver­schwinde. Aber je älter das Jahr wird, desto pes­si­mis­ti­scher wer­den die Pro­gno­sen.
Aber noch ste­cken wir mittendrin.

Und erst recht sind die kurz- und lang­fris­ti­gen Wir­kun­gen eines Urteils des BVerfG zum Bun­des­haus­halt 2021 noch nicht abzu­wä­gen. Schon zuvor gab es Pro­gno­sen, die für das kom­mende Jahr kein Wachs­tum erwar­ten las­sen. All­ge­mein haben wir es mit den Wir­kun­gen der Über­pro­duk­ti­ons­krise zu tun. Es gibt zu viel Kapi­tal, das ver­geb­lich nach ren­tier­li­chen Anla­ge­mög­lich­kei­ten sucht.

Unter­des­sen ist es nicht leicht, zutref­fen­des und hin­rei­chend kenn­zeich­nen­des Daten­ma­te­rial für die Wirt­schafts­lage zu fin­den. Wenn wir der Wirt­schafts­aus­kunf­tei Cre­dit­re­form glau­ben wol­len, hat sich die Über­schul­dungs­lage der Ver­brau­cher auf den ers­ten Blick für das Jahr 2023 leicht ver­bes­sert. Nur noch 5,65 Mil­lio­nen Men­schen, also 233.000 weni­ger Fälle als im Vor­jahr sol­len als über­schul­det gel­ten. Offi­zi­ell sei das ein erneu­ter Tiefst­stand. Aber die ver­meint­lich guten Werte trü­gen lei­der, meint die Firma und ver­weist auf einen sta­tis­ti­schen Son­der­ef­fekt. Denn neu­er­dings wer­den die Spei­cher­fris­ten für Rest­schuld­be­frei­un­gen von bis­her drei Jah­ren auf nun sechs Monate ver­kürzt. Wenn man diese Fälle wie­der rein­rech­net, gibt es 17.000 Fälle mehr als 2022. Die Über­schul­dungs­quote läge in Wahr­heit bei 8,51 Pro­zent statt bei 8,15% und damit dann doch über dem Vor­jahr. In Köln sind es unbe­rei­nigt 9,5%, etwa 100.000 Men­schen, deren Aus­ga­ben dau­er­haft ihre Ein­nah­men über­stei­gen.
Ein ande­res Indiz für die Wirt­schafts­lage ist die Zahl der Fir­men­plei­ten. Das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat dazu am 14. Novem­ber 2023 mit­ge­teilt, dass es 22,4 % mehr bean­tragte Regel­in­sol­ven­zen im Okto­ber 2023 als im Okto­ber 2022 gab. Über­haupt sind seit Juni 2023 durch­gän­gig zwei­stel­lige Zuwachs­ra­ten im Vor­jah­res­ver­gleich zu beob­ach­ten. Im Sep­tem­ber 2023 waren es 19,5 %. Damit blie­ben sie immer­hin unter dem Wert vom Juli. Im Juli 2023 hat­ten die Amts­ge­richte nach end­gül­ti­gen Ergeb­nis­sen 1586 bean­tragte Unter­neh­mens­in­sol­ven­zen gemel­det. Das waren 37,4 % mehr als im Juli 2022.

Vom Ron­cal­li­platz hat man einen beque­men Blick auf die Bau­stelle des soge­nann­ten Lau­renz Car­rés. Hier wollte die Düs­sel­dor­fer Gerch­group bauen, aller­dings keine Woh­nun­gen, zu denen sie die Stadt Köln ver­pflich­tet hatte. Jetzt liegt die Bau­stelle still. Die Gerch­group nennt als Gründe das «der­zei­tige Markt­um­feld» und «erschwerte lage­spe­zi­fi­sche Rah­men­be­din­gun­gen“. Aber offen­kun­dig ist die Firma pleite. Und sie ist nur eine in einer gan­zen Reihe von spek­ta­ku­lä­ren Fir­men­plei­ten. Das Fimen­kon­glo­me­rat Signa des Öster­rei­chers Benko ragt her­aus, zumal er so cle­ver war, sich in den Jah­ren zuvor groß­zü­gi­ger staat­li­cher Sub­ven­tio­nen zu bedie­nen, vor­geb­lich um Arbeits­plätze zu erhalten.

Nun hat vor dem Hin­ter­grund der Rezes­sion und trotz erheb­li­cher Sub­ven­ti­ons­be­dürf­nisse das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt am 15. Novem­ber den zwei­ten Nach­trags­haus­halt 2021 für ver­fas­sungs­wid­rig und nich­tig erklärt. Folg­lich feh­len der Ampel zunächst ein­mal 60 Mil­li­ar­den. Euro für Pro­jekte, die mit dem Hin­weis auf Kli­ma­schutz etwa die Sanie­rung von Gebäu­den oder die Elek­tro­mo­bi­li­tät sub­ven­tio­nie­ren soll­ten. Nun stammt diese Summe aber aus einem Topf, der Corona-Fol­gen abzu­fe­dern hatte. Die Seu­che galt als Not­lage, die eine Aus­nahme von der grund­ge­setz­lich fest­ge­leg­ten Schul­den­bremse recht­fer­tigte. Das Geld wurde wäh­rend der Pan­de­mie aber nicht aus­ge­ge­ben. Es war übrig und ver­führte die Ampel dazu, es in den «Klima- und Trans­for­ma­ti­ons­fonds» (KTF) zu schie­ben. Das geschah 2022 mit­tels Nach­trags im Haus­halt 2021. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aber hält auf Antrag der CDU/CSU-Frak­tion die­sen Vor­gang für grund­ge­setz­wid­rig.
Schon vor einem Vier­tel­jahr, im August 2023, hatte der Bun­des­rech­nungs­hof der Bun­des­re­gie­rung beschei­nigt, dass die tat­säch­li­che Net­to­kre­dit­auf­nahme fünf mal so hoch sei, als im Bun­des­haus­halt aus­ge­wie­sen werde. Den Unter­schied machen die soge­nann­ten Son­der­ver­mö­gen. Von denen zählte der Bun­des­rech­nungs­hof 29 Stück, dar­un­ter der Wumms und der Dop­pel­wumms, also das Son­der­ver­mö­gen von 100 Mrd. Euro für die Bun­des­wehr und der Wirt­schafts­sta­bi­li­sie­rungs­fonds in der Ener­gie­krise von 200 Mrd.
Der finan­zi­elle Umfang der 29 Son­der­töpfe beträgt ins­ge­samt rund 869 Mrd. Euro. Der weit über­wie­gende Teil davon ist kre­dit­fi­nan­ziert. Das Ver­schul­dungs­po­ten­zial der Son­der­ver­mö­gen lag Ende 2022 bei ins­ge­samt rund 522 Mrd. Euro. Das ist laut Bun­des­rech­nungs­hof das rund Fünf­fa­che der im Finanz­pla­nungs­zeit­raum 2023 bis 2027 aus­ge­wie­se­nen Kre­dit­auf­nahme. Zum Ver­gleich: Der Bun­des­haus­halt von 2023 hat den Umfang von 476 Mrd. Euro. Der Kre­dit­rah­men der Son­der­ver­mö­gen über­steigt folg­lich sogar den Bun­des­haus­halt um etwa 10%.
Alle mög­li­chen Haus­halts­pos­ten ste­hen jetzt zur Dis­po­si­tion, nament­lich Sozi­al­aus­ga­ben. Die Bun­des­re­gie­rung wird eini­ges an ver­schärf­ter Repres­sion und Dem­ago­gie auf­brin­gen müs­sen, um in die­ser Situa­tion Gele­gen­hei­ten für gedeih­li­che Mono­pol­pro­fite parat zu stel­len. Allein die 100 Mrd für die Bun­des­wehr sind unver­rück­bar verplant.

Der städ­ti­sche Haus­halt
Dörte Die­mert, die Stadt­käm­me­rin, wurde am 2. Dezem­ber von der Köl­ni­schen Rund­schau befragt. Die Käm­me­rin beklagt dra­ma­ti­sche Ent­wick­lun­gen der Kos­ten. Die Zin­sen seien mas­siv und so schnell wie nie in der Geschichte gestie­gen. Das betrifft den Haus­halt der Stadt, aber auch viele Betei­li­gun­gen und die Finan­zen bei Trä­gern, die für die Stadt tätig sind. Unge­klärt sei die Finan­zie­rungs­si­tua­tion beim Deutsch­land­ti­cket. Die Kin­der- und Jugend­hilfe ver­langt seit der Coro­na­pan­de­mie deut­lich höhere Auf­wen­dun­gen. Auch die höhe­ren Belas­tun­gen bei Geflüch­te­ten schla­gen zu Buche.
Dann nennt sie einen Inves­ti­ti­ons­stau bei Schu­len, Brü­cken oder die Sanie­rung öffent­li­cher Gebäude. Kli­ma­schutz, Ener­gie- und Mobi­li­täts­wende kom­men dazu. Die Frage der KR galt aber zunächst mal den Kli­ni­ken in Mer­heim, die Zusam­men­le­gung könnte am Ende mehr als eine Mil­li­arde Euro kos­ten.
Für neue Auf­ga­ben, die nicht aus­rei­chend finan­ziert seien, nennt die Käm­me­rin als Bei­spiel die Wohn­geld­re­form des Bun­des. Die habe zu mas­si­vem per­so­nel­len Mehr­be­darf geführt, der mit 12 Mil­lio­nen Euro pro Jahr zu Buche schlage und nicht erstat­tet werde.
Offen­bar ent­wi­ckeln sich aber die Steu­er­erträge so posi­tiv, dass sie von Maß­nah­men wie Haus­halts­sperre noch nicht reden will. Die Risi­ken aller­dings sind hoch, aber das gelte flä­chen­de­ckend für alle Kom­mu­nen. Die Lan­des­re­gie­rung denke infol­ge­des­sen über Ver­än­de­run­gen im Haus­halts­recht nach.
Ange­spro­chen auf die teu­ren Groß­pro­jekte wie die Kul­tur­bau­ten Oper, MiQua, RGM mahnt sie sachte, man solle die gesam­ten Pro­jekte in den Blick neh­men und dann prio­ri­sie­ren. Auf deutsch: spa­ren.
In Köln gab es im Jahr 2020 einen Haus­halts­über­schuss von 235 Mio. Euro, wo zunächst ein Ver­lust von 51,3 Mio. kal­ku­liert wor­den ist. 2021 betrug das Plus 182 Mio. Euro, wo ein Ver­lust von 29,1 Mio. geplant war. Die­ser Über­schuss wäre mit den Las­ten der Corona-Pan­de­mie in Höhe von 475 Mio. Euro zu ver­rech­nen gewe­sen. Aller­dings konn­ten diese Las­ten aus­ge­bucht wer­den, müs­sen erst ab 2026 abbe­zahlt wer­den.
Auch das sieht wie einer der Son­der­töpfe aus, von denen oben schon die Rede war, aller­dings in kom­mu­na­ler Grö­ßen­ord­nung. Auch hier fließt anla­ge­su­chen­des Kapi­tal hin­ein. Sel­ten wird nach sol­chen Kre­dit­töp­fen der städ­ti­schen Betriebe gefragt, nach deren Kre­di­ten, die for­mell selb­stän­dig ange­legt wer­den. Etwa bei den Stadt­wer­ken. Aber auf diese Weise ver­ber­gen sich im Köl­ner Stadt­haus­halt Schat­ten­haus­halte, über die der Man­tel des Schwei­gens liegt.

Was wer­den die Fol­gen sein?
Einen sozia­len Krieg gegen die eigene Bevöl­ke­rung nannte Sevim Dagde­len in einer Rede am 1. Sep­tem­ber beim Köl­ner Frie­dens­fo­rum die Poli­tik der Bun­des­re­gie­rung. Und sie zählte ein­fach mal ganz kon­kret die Kür­zungs­pos­ten auf, die dem im Haus­halt 2024 vor­ge­se­he­nen Mili­tär­aus­ga­ben von 85,5 Mil­li­ar­den Euro, den höchs­ten seit 1945, gegen­über­ste­hen: Müt­ter­ge­nesungs­werk: minus 93 Pro­zent, Fami­li­en­fe­ri­en­stät­ten: minus 93 Pro­zent, Jugend­bil­dungs- und Jugend­be­geg­nungs­stät­ten: minus 77 Pro­zent, freie Jugend­hilfe: minus 19 Pro­zent, Wohn­geld: minus 16 Pro­zent, BAföG: minus 24 Pro­zent. So sieht soziale Kälte aus.
Und sie führte wei­ter aus:
«Die­ser soziale Krieg gegen die eigene Bevöl­ke­rung beinhal­tet aber auch eine Poli­tik, die die Infra­struk­tur in Deutsch­land wei­ter kaputt­kürzt und Deutsch­land als Indus­trie­land mas­siv gefähr­det. Viele den­ken hier oft nur an die Bahn, was sicher­lich stimmt. Aus Per­so­nal­man­gel müs­sen Bahn­stre­cken zeit­wei­lig ein­ge­stellt wer­den, so gro­tesk ist die Lage mitt­ler­weile.»
Gerade heute ver­öf­fent­lichte die Presse Daten über die Extra-Zah­lun­gen der Bun­des­bahn für ihre Füh­rungs­etage. Der Vor­stands­vor­sit­zende Richard Lutz erhält unter der Rubrik CO2-Ein­spa­rung allein durch eine zwei­pro­zen­tige Über­erfül­lung eine Bonus­zah­lung von 440.000 Euro. Die Bahn belohnt ihre Mana­ger mit ins­ge­samt annä­hernd fünf Mio. Euro Boni für das Jahr 2022 «trotz Ver­feh­lung der Ziele Pünkt­lich­keit und Kun­den­zu­frie­den­heit», wie es heißt. Ver­mut­lich just wegen Ver­feh­lung die­ser Ziele, denn so bleibt der PKW zuver­läs­si­ger und die Auto­kon­zerne sind zufrie­den.
Dagde­len: «Ein ande­res, nicht min­der gra­vie­ren­des Bei­spiel sind die Kran­ken­häu­ser. Die wirt­schaft­li­che Situa­tion der Kli­ni­ken ist dra­ma­tisch. Es droht ein Kahl­schlag bei der Gesund­heits­ver­sor­gung und die Schlie­ßung vie­ler wei­te­rer Kran­ken­häu­ser, ohne dass hier von der Bun­des­re­gie­rung gegen­ge­steu­ert wird. Am Ende wird ein völ­lig kaput­tes Gesund­heits­sys­tem ste­hen.»

In der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung spielt die­ser soziale Krieg gegen die eigene Bevöl­ke­rung nur eine geringe Rolle. Statt­des­sen beglei­ten Ver­nich­tungs­phan­ta­sien die Bericht­erstat­tung über den Krieg in der Ukraine und in Paläs­tina, drängt die Regie­rung immer wie­der zu mili­tä­ri­schen Lösun­gen der poli­ti­schen Pro­bleme. Die Ampel­ko­ali­tion ist gleich­gül­tig gegen­über den ele­men­tars­ten Bedürf­nis­sen der Men­schen. Die Armut steigt. Die Woh­nungs­not wächst, die Gesund­heits­ver­sor­gung schwin­det. Pro­fit­in­ter­es­sen der Eigen­tü­mer wie­gen schwe­rer als die Men­schen­rechte auf Woh­nen und geis­tige und kör­per­li­che Gesund­heit.
Kri­tik am sozia­len Kahl­schlag der Ampel-Regie­rung kommt von den Wohl­fahrts­ver­bän­den, aber ohne die den Wirt­schafts­krieg gegen Russ­land, Hoch­rüs­tung und die «Ertüch­ti­gungs­hilfe» (Waf­fen­lie­fe­run­gen) an die Ukraine als Ursa­chen dafür zu benennen.

Klaus, im KV 12. Dezem­ber 2023


Die Bun­des­re­gie­rung schei­tert mit dem Haushaltsplan.