Wie akut ist die faschis­ti­sche Gefahr?

 Europakarte Entwicklung der NATO.

Zum Zusam­men­hang von öko­no­mi­scher Krise, Kriegs­vor­be­rei­tung und Faschismus

«782 Mil­li­ar­den Dol­lar sind eine Menge Geld. In die­ser Grö­ßen­ord­nung befin­det sich bei­spiels­weise die Jah­res­wirt­schafts­leis­tung der Tür­kei. Unge­fähr so hoch wird auch das Haus­halts­de­fi­zit der Ver­ei­nig­ten Staa­ten im gerade zu Ende gegan­ge­nen Haus­halts­jahr gewor­den sein, Stich­tag ist der 30. Sep­tem­ber. Das sei der zen­trale Grund, aus dem her­aus die größte Volks­wirt­schaft der Welt der­zeit sogar noch etwas schnel­ler wächst als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren und auch die ame­ri­ka­ni­sche Arbeits­lo­sig­keit wei­ter zurück­geht. Öko­no­men wun­dert das nicht: Sie wis­sen, dass durch Schul­den finan­zierte höhere Staats­aus­ga­ben oder Steu­er­sen­kun­gen die Kon­junk­tur befeu­ern, zumin­dest kurzfristig.»

Das schreibt heute die FAZ online, um dann anläss­lich der gegen­wär­ti­gen Tagung des Inter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds des­sen Chef­öko­nom Mau­rice Obst­feld zu zitie­ren, der die USA wegen ihrer pro­zy­kli­schen Fis­kal­po­li­tik kri­ti­siert. Sie gefährde damit die Sta­bi­li­tät und trage zur Über­hit­zung bei. Als Hin­weis dient, dass die Ren­dite ame­ri­ka­ni­scher Staats­an­lei­hen gerade auf 3,3 Pro­zent gestie­gen sei, auf den höchs­ten Stand seit sie­ben Jahren.

Unter dem Titel «Welt­kon­junk­tur steht vor här­te­ren Zei­ten» gilt der Zei­tung als Risiko für die glo­bale Kon­junk­tur, dass es die meis­ten Län­der bis­her nicht ver­mocht hät­ten, finan­zi­elle Puf­fer für die nächste Krise zu bil­den. Die Schul­den­stände seien so hoch wie selten.

Das ist sehr zurück­hal­tend von der FAZ formuliert.

Auf der BDK am 16. Dezem­ber letz­ten Jah­res hatte ich auf die glo­ba­len Gesamt­schul­den ver­wie­sen. Es han­delt sich hier­bei um Berech­nun­gen des Insti­tute of Inter­na­tio­nal Finance, die glo­bale Lob­by­or­ga­ni­sa­tion der Ban­ken. Die Daten bezo­gen sich auf das erste Quar­tal 2017. Die Gesamt­schul­den­summe betrug damals 217 Bil­lio­nen Dol­lar, das ent­sprach 327% des Welt-BIPs, also mehr als das Drei­fa­che. Auch heute ver­füge ich nicht über die neu­es­ten Daten, aber immer­hin die vom ers­ten Quar­tal 2018, die Anfang Juli mit­ge­teilt wor­den sind. Die glo­ba­len Schul­den belie­fen sich dem­nach mitt­ler­weile auf 247 Bil­lio­nen Dol­lar (Welt-BIP 2017: 80 Bio). Das sind 30 Bil­lio­nen, also 13,8 % mehr als vor einem Jahr. Allein im ers­ten Quar­tal 2018 stie­gen sie um 8 Bio Dol­lar. 12 Jahre zuvor, im Jahr 2006, waren es 144 Bio, im Jahr 1996 63 Bio.

Zum Ver­gleich: das deut­sche BIP 2017 betrug 3,7 Bio Dol­lar. EU 17,5 Bio, USA 19,4 Bio.

Es ist erkenn­bar, dass diese wach­sen­den Wech­sel auf die Zukunft nie ein­ge­löst wer­den können.

Vor die­sem Hin­ter­grund ent­steht offen­bar das Bedürf­nis, sich die Lage schön­zu­re­den. Unter dem irre­füh­ren­den Titel «Auto-Ver­kaufs­rausch» gab die Köl­ni­sche Rund­schau am 20. Sep­tem­ber bekannt, im August seien im Ver­gleich zum Vor­jah­res­mo­nat die Zahl der Neu­zu­las­sun­gen in Europa um 31,2 Pro­zent gestie­gen. Diese Pracht­zahl wird zwar durch Vor­zieh­ef­fekte erklärt. Denn durch das neue Abgas­prüf­ver­fah­ren WLTP dür­fen seit dem 1. Sep­tem­ber nur Wagen zuge­las­sen wer­den, die die­sen Test bestehen. Tat­säch­lich wur­den in der Repu­blik 316.405 Per­so­nen­kraft­wa­gen (Pkw) im August neu zuge­las­sen – ein Plus 24,7 Pro­zent im Ver­hält­nis zum Vorjahresmonat.

Her­ge­stellt aber wur­den in die­sem August 310.400 Autos, das sind nun mal 31% weni­ger als im August des ver­gan­ge­nen Jah­res. Ins­ge­samt zeigt die Pro­duk­ti­ons­kurve seit Mai steil nach unten. Und prompt folgt im Sep­tem­ber der Pro­duk­ti­ons­kurve ganz brav die Zulas­sungs­kurve. Mit 200.134 neu zuge­las­se­nen Per­so­nen­kraft­wa­gen lag sie im Sep­tem­ber 2018 mit minus 30,5 Pro­zent unter­halb des Vor­jah­res­mo­nats, laut Kraft­fahr­zeug­bun­des­amt (KBA) am 2. Okto­ber. Bei Audi waren es sogar minus 77,7 %, bei VW minus 61,9 %.

Tat­säch­lich ist die Situa­tion in der Auto­in­dus­trie ernst. Wegen Nach­fra­ge­rück­gangs beim Pas­sat hat VW Emden schon im Juli 12 Tage Kurz­ar­beit für die zweite Jah­res­hälfte ange­mel­det. Auch in Wolfs­burg ruh­ten von Ende Juli bis Ende Sep­tem­ber die Bän­der im Stamm­werk an ins­ge­samt zwölf Tagen kom­plett. Opel lei­det seit der Über­nahme durch PSA. Anlass für Kurz­ar­beit bei Audi Ingol­stadt (von Anfang August bis Ende des Jah­res) ist, dass Audi nur für einen Teil sei­ner Modell­va­ri­an­ten über eine Zulas­sung nach dem ab 1. Sep­tem­ber gel­ten­den Abgas­prüf­stan­dard WLTP ver­fügt. Und bei Ford steht die gesamte euro­päi­sche Pro­duk­tion in Frage.

Ins­ge­samt stell­ten Indus­trie, Bau und Ener­gie­ver­sor­ger im August zusam­men 0,3 Pro­zent weni­ger her als im Vor­mo­nat. Der dritte Rück­gang in Folge. Aber Flaute herrscht gegen­wär­tig in der gesam­ten Indus­trie des Lan­des. Dabei hat­ten die Öko­no­men 0,4 Pro­zent Wachs­tum erwar­tet. So rech­nen denn die Wirt­schafts­for­schungs­in­sti­tute in ihrem Herbst­gut­ach­ten ledig­lich mit einem Mini-Wachs­tum des BIP von 0,1 Pro­zent im drit­ten Quar­tal. Die FAZ resü­miert heute: «Donald Trump, Streit mit China, Brexit, Ita­lien, die Tür­kei oder der gestie­gene Ölpreis: Es gibt genü­gend Gründe, pes­si­mis­ti­scher zu sein als noch vor sechs Monaten.»

Für das Pro­blem des Schul­den­bergs gibt es im Prin­zip drei Lösun­gen: Spon­tane Ent­wer­tung mit­tels Crash, orga­ni­sierte durch Schul­den­schnitt oder der Krieg. Auf letz­te­ren berei­tet sich das Kapi­tal mit­tels Auf­rüs­tung und uns mit­tels Kriegs­hetze vor.

Hier im Kreis­vor­stand hatte ich mich vor zwei Jah­ren, am 13. Sep­tem­ber 2016, über das Weiß­buch der Bun­des­wehr und die Kon­zep­tion Zivile Ver­tei­di­gung geäu­ßert, Texte, mit denen Auf­rüs­tung gerecht­fer­tigt und Kriegs­hetze ange­scho­ben werden.

Das Weiß­buch malt ein Bedro­hungs­sze­na­rio: der inter­na­tio­nale Ter­ro­ris­mus, Cyber­an­griffe, Beein­flus­sung der öffent­li­chen Mei­nung mit­tels digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­tion, hybride Kriegs­füh­rung sowie die Renais­sance klas­si­scher Macht­po­li­tik ble­cken die Zähne.

Unter hybri­der Kriegs­füh­rung ver­steht die Bun­des­re­gie­rung den Ein­satz mili­tä­ri­scher Mit­tel unter­halb der Schwelle eines kon­ven­tio­nel­len Krie­ges, also sub­ver­sive Unter­mi­nie­rung durch die Ver­bin­dung von zivi­len und mili­tä­ri­schen Mit­teln, deren Zwe­cke erst im Nach­hin­ein zu erken­nen sind. Dage­gen helfe Ver­net­zung zwecks Resi­li­enz, also sowas wie Wider­stands­fä­hig­keit gegen hybride Bedro­hun­gen. Wört­lich: «Hierzu gehö­ren auch ein bes­se­rer Schutz kri­ti­scher Infra­struk­tu­ren, der Abbau von Ver­wund­bar­kei­ten im Ener­gie­sek­tor, Fra­gen des Zivil- und des Kata­stro­phen­schut­zes, effi­zi­ente Grenz­kon­trol­len, eine poli­zei­lich garan­tierte innere Ord­nung und schnell ver­leg­bare, ein­satz­be­reite mili­tä­ri­sche Kräfte. Poli­tik, Medien und Gesell­schaft sind glei­cher­ma­ßen gefragt, wenn es darum geht, Pro­pa­ganda zu ent­lar­ven und ihr mit fak­ten­ba­sier­ter Kom­mu­ni­ka­tion ent­ge­gen­zu­tre­ten.» (Weiß­buch S. 39) Unter dem Vor­wand von Sicher­heits­vor­sorge wird uns eine durch­or­ga­ni­sierte Gesell­schaft mit kon­trol­lier­ter Kom­mu­ni­ka­tion, Medien- und Innen­po­li­tik ange­droht. (Weiß­buch S. 48). Ein Pro­gramm für eine Militärdiktatur!

Die Kon­zep­tion Zivile Ver­tei­di­gung (KZV, S. 13) geht noch wei­ter ins Detail. Sie for­dert eine Ver­bes­se­rung des Bewusst­seins für hybride Bedro­hun­gen, Stär­kung der Resi­li­enz, Stär­kung von Prä­ven­tion und soge­nann­ter Kri­sen­re­ak­tion. Die mili­tä­ri­sche Abwehr­be­reit­schaft wird zivile Berei­che durch­drin­gen. So fällt unter die Rubrik Abwehr­be­reit­schaft die Siche­rung von Informations‑, Kommunikations‑, Versorgungs‑, Trans­port- und Han­dels­li­nien samt Roh­stoff- und Ener­gie­zu­fuhr. (KZV S. 41)

Sicher­heits­vor­sorge wird auf S. 59 nicht nur als staat­li­che, son­dern immer mehr als gemein­same Auf­gabe von Staat, Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Gesell­schaft verstanden.

Staat und Wirt­schaft ver­binde bereits eine ver­trau­ens­volle Sicher­heits­part­ner­schaft. Bezeich­nend für den mili­ta­ris­ti­schen Geist des Papiers ist die Auf­fas­sung auf Seite 60, dass nun­mehr die öffent­li­che Mei­nung sicher­heits­re­le­vant sei. Es gehe um die Fähig­keit, Angrif­fen zu wider­ste­hen. Das Wort dafür: Resi­li­en­z­auf­bau. Dazu müsse man früh­zei­tig und prä­ven­tiv Ver­wund­bar­kei­ten iden­ti­fi­zie­ren. «Die mate­ri­elle Infra­struk­tur von Staat und Wirt­schaft ist ebenso Angriffs­ziel wie die öffent­li­che Mei­nung, die viel­fach Ver­su­chen exter­ner Ein­fluss­nahme aus­ge­setzt ist.»

Die stra­te­gi­schen Nukle­ar­fä­hig­kei­ten der Alli­anz, ins­be­son­dere die der USA, seien der ulti­ma­tive Garant der Sicher­heit. «Die NATO ist wei­ter­hin ein nuklea­res Bünd­nis. Deutsch­land bleibt über die nukleare Teil­habe in die Nukle­ar­po­li­tik und die dies­be­züg­li­chen Pla­nun­gen der Alli­anz ein­ge­bun­den. (…)» Gleich­zei­tig stellt sich das Bünd­nis auf asym­me­tri­sche und hybride Bedro­hun­gen ein­schließ­lich Cyber­an­grif­fen, ein. Ein Merk­mal hybri­der Krieg­füh­rung, die Ver­wi­schung der Grenze zwi­schen Krieg und Frie­den, stelle dabei beson­dere Her­aus­for­de­run­gen an die Fest­stel­lung des Bünd­nis­falls nach Arti­kel 5 des NATO-Ver­trags (S. 65). In der Tat ist die Ver­wi­schung der Grenze zwi­schen Krieg und Frie­den die mili­ta­ris­ti­sche Kern­aus­sage des Weiß­bu­ches. Damit wird der Über­griff des Mili­tä­ri­schen auf das Zivil­le­ben, die Mili­ta­ri­sie­rung wei­te­rer Berei­che des All­tags, ihre Unter­ord­nung unter mili­tä­ri­sche Ziele begründet.

Die Köl­ni­sche Rund­schau schlag­zeilte am 23. August 2016 zu die­sem Thema: «Bund berei­tet Bevöl­ke­rung auf den Kriegs­fall vor» nicht ohne in der Unter­zeile zu kol­por­tie­ren, dass Mos­kau die euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung in Frage stelle.

Zwei Jahre spä­ter geht es mit der «Kon­zep­tion der Bun­des­wehr» (KdB) vom August 2018 wei­ter. Die KdB pro­pa­giert fak­tisch eine Rüs­tungs­of­fen­sive gegen Russ­land. Die Fokus­sie­rung auf Aus­lands­ein­sätze wird abge­löst durch das neue Gewicht von Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung. Die sicher­heits­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jahre hät­ten die kol­lek­tive Bünd­nis­ver­tei­di­gung wie­der in den Fokus der stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen der NATO gerückt. «Abschre­ckung und Ver­tei­di­gung auf Grund­lage einer geeig­ne­ten Mischung aus kon­ven­tio­nel­len, nuklea­ren und Rake­ten­ab­wehr­fä­hig­kei­ten» seien wei­ter­hin ein Kern­ele­ment der Gesamt­stra­te­gie. Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung sei außer­dem «der bestim­mende Para­me­ter für die Grund­auf­stel­lung der Bundeswehr».

Aus dem gegen­wär­tig laut­stark arti­ku­lier­ten finan­zi­el­len Mehr­be­darf folgt die Forderung,

das eine, also Bünd­nis­ver­tei­di­gung wie­der tun, ohne das andere, näm­lich Aus­lands­ein­sätze, las­sen zu wol­len. Die Ziel­stel­lun­gen des KdB stam­men aus den «Vor­läu­fi­gen kon­zep­tio­nel­len Vor­ga­ben für das künf­tige Fähig­keits­pro­fil der Bun­des­wehr», das unter der Ägide von Gene­ral­leut­nant Erhard Büh­ler ver­fasst und als Büh­ler-Papier im April 2017 bekannt wurde. Schon da wurde deut­lich, dass nun­mehr der «Bünd­nis­ver­tei­di­gung» und damit fak­tisch der Rüs­tung gegen Russ­land künf­tig wie­der mehr Bedeu­tung zukom­men soll. Deutsch­land müsse bis 2031 drei schwere Divi­sio­nen mit je 20.000 Sol­da­ten in die NATO ein­brin­gen kön­nen, die erste bereits 2026. Die Land­streit­kräfte müss­ten drin­gend mit mehr Pan­zern und vor allem schwe­rer Artil­le­rie aus­ge­stat­tet wer­den, aber auch bei der Luft­waffe und der Marine exis­tiere mil­li­ar­den­schwe­rer Rüs­tungs­be­darf. «Damit wür­den die Divi­sio­nen wie­der die klas­si­sche Struk­tur aus der Zeit vor 1990 ein­neh­men.» (FAZ 19.4.2017)

Von der Leyen for­mu­lierte auf der Bun­des­wehr­ta­gung am 14. Mai 2018: «Was heißt Lan­des- und Bündnisverteidigung in Zukunft? Lack­mus­test wird sein, ob und wie wir uns auf die hybri­den Bedro­hun­gen ein­stel­len. Die Truppe braucht dafür ein ver­läss­li­ches Gerüst, aus dem her­aus sie han­deln kann. Wir haben die Mus­ter vor Augen: Fake-news Kam­pa­gnen um Unruhe zu schüren; das Ein­si­ckern von irregulären Kräften an den Rändern des Bündnisterritoriums; Cyber­at­ta­cken gegen kri­ti­sche Infra­struk­tur, Regie­rungs­netz­werke und unsere Ban­ken­sys­teme; die Bedro­hung durch Rake­ten jeg­li­cher Reich­weite und Wir­kung; Angriffe auf unsere Han­dels­wege auf See; Einsätze von Drohnenschwärmen gegen zivile Ziele; bis hin zur ‹klas­si­schen› Ver­tei­di­gungs­ope­ra­tion an der Lan­des­grenze. Auf all das müssen wir uns neu aus­rich­ten. Und zwar nicht nur in der Pro­gram­ma­tik und durch das Ver­fas­sen von Denk­pa­pie­ren, son­dern durch ganz kon­krete Maß­nah­men bei Per­so­nal und Mate­rial, in der Aus­bil­dung, mit unse­ren Part­nern und ressortgemeinsam.»

In der KdB wird anschau­lich von der Rand­meer­kriegs­füh­rung gespro­chen: «Die Befä­hi­gung zur Rand­meer­krieg­füh­rung bleibt unver­än­der­tes Ziel für die Aus­ge­stal­tung der deut­schen See­streit­kräfte. Im Rah­men der Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung spie­len dabei der Nord­flan­ken­raum der NATO und die Ost­see zuneh­mend eine wich­tige Rolle.» Vor allem sei es erfor­der­lich, für die «Bal­ti­schen Staa­ten» falls nötig eine «Nach­ver­sor­gung über die Ost­see» sicherzustellen.

Seit dem 13. Juni 2018 wis­sen wir auch, dass die Bun­des­wehr ab 2020 den Ein­satz von Droh­nen vorbereitet.

Das alles ist teuer. Der Bun­des­wehr-Etat stieg von 23,8 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf etwa 38,5 Mrd. im Jahr 2018 an und soll bis 2022 gemäß der Anfang Mai 2018 vom Kabi­nett beschlos­se­nen Eck­werte bei 42,6 Mrd. lan­den. Dazu kom­men allein 2022 noch 1,17 Mrd., die als «Per­so­nal­mit­tel­ver­stär­kung» in den Ein­zel­plan 60 ver­scho­ben wur­den. Bis 2024 soll der Etat des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums den Wert von 1,5 Pro­zent des BIP errei­chen. In Euro umge­rech­net sind das 62,5 Mil­li­ar­den. Und Angela Mer­kel betonte in der Haus­halts­de­batte im Bun­des­tag am 16. Mai 2018, sie fühle sich wei­ter dem Zwei-Pro­zent-Ziel der NATO ver­pflich­tet. Unter dem Strich käme sie damit auf 85 Mrd Euro.

Kurz vor der NATO-Tagung am 11./12. Juli 2018 in Brüs­sel wur­den die NATO-Rüs­tungs­aus­ga­ben ver­öf­fent­licht: Sie stie­gen von 895 Mrd. Dol­lar 2015 auf geschätzte 1013 Mrd. Dol­lar in die­sem Jahr an. Der Anteil der euro­päi­schen Län­der klet­terte dabei von 222 Mrd. (2015) auf 286 Mrd. (2018) eben­falls steil nach oben. Gleich­zei­tig wurde der Ton gegen­über Russ­land ver­schärft. Tat­säch­lich aber sank der rus­si­sche Rüs­tungs­etat laut SIPRI im ver­gan­ge­nen Jahr um 20% auf 66,3 Mrd Dol­lar, wäh­rend der Etat der NATO-Län­der in die­sem Jahr die Marke von einer Bil­lion über­stei­gen wird.

Am Schluss des NATO-Tref­fens setzte Donald Trump noch einen drauf: Zunächst wollte er, dass alle Ver­bün­de­ten das 2%-Ziel sofort und nicht erst 2024 umset­zen. Am Ende ließ er sogar ver­kün­den, alle Ver­bün­de­ten soll­ten künf­tig 4% des BIP in den Rüs­tungs­haus­halt ste­cken. Im Falle von Deutsch­land hätte das eine Grö­ßen­ord­nung von jähr­lich 160 Mrd. Euro! Das ist eine Summe, die rund einem Drit­tel des gegen­wär­ti­gen Bun­des­haus­halts entspricht.

Hier scheint neben dem mili­tä­ri­schen auch der finanz­po­li­ti­sche, gar kri­sen­re­gu­lie­rende Sinn sol­cher Aus­ga­ben auf. Im Unter­schied zur zivi­len Pro­duk­tion sind Rüs­tungs­gü­ter Waren, deren Bedarf in der Regel poli­tisch her­ge­stellt, legi­ti­miert und gelenkt wird. Der Staat bie­tet mit dem Rüs­tungs­etat ein Kon­junk­tur­pro­gramm, aller­dings für nur wenige Nutz­nie­ßer. Er schafft im rechts­keyne­sia­ni­schen Sinn ange­sichts der anhal­ten­den Über­pro­duk­ti­ons­krise Kapi­tal­an­la­ge­mög­lich­kei­ten, ret­tet Kapi­tal vor Entwertung.

Aber die geplan­ten Grö­ßen­ord­nun­gen von Auf­rüs­tung sind nach mei­ner Ein­schät­zung nicht ohne wei­te­res par­la­men­ta­risch durch­zu­set­zen, weil mit dem Wider­stand der Bevöl­ke­rung zu rech­nen ist. Für den Krieg selbst wird ebenso wie für seine Vor­be­rei­tung die Zustim­mung der Bevöl­ke­run­gen aus­blei­ben. Zwar wird gegen­wär­tig mit­tels Hetze gegen Flücht­linge, mit Aus­län­der- und Islam­feind­lich­keit alles ver­sucht, mili­tä­ri­sche Aktio­nen poli­tisch akzep­ta­bel zu machen. Aber es gelingt nicht. Und wir tun alles, damit das so bleibt.

Die Herr­schen­den müs­sen zudem ange­sichts dro­hen­der Crashs, Bank Runs, plötz­li­cher Arbeits­lo­sig­keit und Geld­ent­wer­tung mit Wider­stand, sogar mit Revol­ten rech­nen. Sie ver­las­sen sich nicht dar­auf, dass die Arbei­ter­klasse in sol­chen Lagen sich in die herr­schende Ord­nung fügt und still hält. Davon zeu­gen der for­cierte Demo­kra­tie­ab­bau, nament­lich die Maß­nah­men zur Mas­sen­über­wa­chung samt der Serie von Poli­zei­ge­set­zen in den Bun­des­län­dern mit der Auf­he­bung der Unschulds­ver­mu­tung, den Mög­lich­kei­ten der Poli­zei, bei angeb­lich «dro­hen­der Gefahr» nach Belie­ben weg­zu­sper­ren. Die Nazis nann­ten das Schutz­haft. Auf die Inte­gra­ti­ons­kraft einer funk­tio­nie­ren­den par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie wol­len und kön­nen sich die Herr­schen­den ange­sichts der Krise nicht län­ger ver­las­sen. Zuneh­mend wird Gewalt ange­droht und ein­ge­setzt, um das Volk still zu hal­ten. Rechts­ter­ro­ris­mus und AfD sind zwei Sei­ten der­sel­ben Medaille. Die Faschis­ten set­zen mit Gewalt und Ter­ror das Recht des Stär­ke­ren durch, sobald die Demo­go­gie ihre Wir­kung ver­liert. Aus Sar­ra­zins Hetze wer­den Hetz­jag­den. Es sind par­la­men­ta­ri­sche Kräf­te­ver­hält­nisse schon abzu­se­hen, wo CDU und CSU mit der AfD koalie­ren, damit sie gemein­sam Gesetze im Par­la­ment for­mu­lie­ren, die mehr oder weni­ger uni­for­mierte Schlä­ger­trupps auf der Straße umzu­set­zen haben.

Es han­delt sich um eine lang­fris­tige Stra­te­gie der Herr­schen­den. Denn sie kön­nen und wol­len sich – zumal in Kri­sen­zei­ten – nicht auf die Über­zeu­gungs­kraft der kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums­ord­nung verlassen.

Ste­hen wir am Vor­abend des Faschis­mus? Patrik Köbele hat sich vor andert­halb Jah­ren, am 3. Februar 2017, auf der 7. PV-Tagung zu die­ser Frage geäußert.

Er sagte: «Der­zeit hat die herr­schende Klasse keine Not­wen­dig­keit zum Faschis­mus zu grei­fen, dafür ist die Linke zu schwach und die Arbei­ter­klasse und die Arbei­ter­be­we­gung zu stark ein­ge­bun­den.» Und im Wei­te­ren zur Frage, «ob wir nicht von einer schlei­chen­den Ent­wick­lung hin zum Faschis­mus spre­chen müs­sen. Die Dis­kus­sion ist zu füh­ren. Ich sehe das aller­dings anders und sehe in der For­mu­lie­rung die Gefahr, dass sie ver­mit­telt, dass wir am Vor­abend des Faschis­mus ste­hen – das wie­derum sehe ich nicht. Natür­lich behält sich die herr­schende Klasse in Deutsch­land diese Karte immer vor, aber eine Not­wen­dig­keit dazu gibt es der­zeit für sie nicht.»

Dazu ist fol­gen­des zu sagen. Die Meta­pher «Vor­abend» ist alle­mal unzu­tref­fend. Sie erfasst die poli­ti­schen Pro­zesse nicht, mit denen wir es zu tun haben. Sie sug­ge­riert, wir wür­den eines Mor­gens auf­wa­chen und der Faschis­mus stünde über­ra­schend vor der Tür. Oder als das etwas güns­ti­gere alter­na­tive Sze­na­rio: Wir wür­den am Vor­abend vom Auf­kom­men des Faschis­mus durch den PV gewarnt, wapp­nen uns hur­tig oder suchen das Weite.

Nein. Wir haben es viel­mehr mit Pro­zes­sen tun, die all­mäh­lich und für viele unmerk­lich ablau­fen. Inso­fern ist die Abwehr des Faschis­mus eine lang­fris­tige, zähe, vor allem eine ste­tige Auf­gabe, für die wir die Arbei­ter­klasse und ihre Orga­ni­sa­tio­nen gewin­nen müs­sen. Je stär­ker die Linke, je orga­ni­sier­ter die AK ist, umso demo­kra­ti­scher ist eine Gesell­schaft und die Gefahr des Faschis­mus gerin­ger – und nicht umgekehrt!

Klaus Stein, im Kreis­vor­stand Köln, 9. Okto­ber 2018