Zur Debatte um den Leitantrag des DKP-Parteitages

Demokratieabbau und das strategische Gewicht von demokratischen Bewegungen in Programm und Leitantrag.

Demokratie muß ständig erkämpft werden. Hier verknüpfen sich Aktivitäten zur Verteidigung der bürgerlichen Demokratie (etwa beim Thema Antifaschismus) und demokratischer Rechte, wie sie im Grundgesetz niedergelegt sind, mit solchen, die schon auf eine sozialistische Perspektive verweisen, weil sie Fragen berühren, die sich nur durch Einschränkung des Privateigentums an Produktionsmitteln beantworten lassen.


Als erstes möchte ich beim Thema Demokratie auf die Arbeit von Gewerkschaften hinweisen und wie sie in die Gesellschaft hineinwirken. Ich meine damit nicht nur ihre Öffentlichkeitsarbeit bei Tarifrunden. Beispiel Verdi. Als Konsequenz auf die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst im Frühjahr 2012, als Verdi entgegengehalten wurde, die öffentlichen Haushalte hätten kein Geld, hat die Gewerkschaft die Steuergesetzgebung mit einer Bündnisaktion im Herbst 2012 zum Thema gemacht. Diese Aktion hieß Umfairteilen.
Ein weiteres prominentes Beispiel ist die IG Metall, die im vergangenen September 20 000 Jugendliche mit der Losung „Revolution Bildung“ mobilisierte. Das erbrachte Erfahrungen, die Eingang in die gerade zurückliegende Tarifrunde fanden. Auch sonst sind wir froh, wenn sich die Gewerkschaften politisch äußern, meistens ist es ja im Sinne von mehr Demokratie. Ihre vorwiegende Arbeit findet ohnehin im ständigen Ringen in Betriebs- und Personalräten statt, wo es darum geht, die Interessen der Kollegen im Kleinkrieg mit dem Unternehmer zu wahren. Diese Arbeit ist ganz unspektakulär, aber wirksam. Wo wären wir ohne diese ständige Präsenz von Gewerkschaften im Betrieb und Gesellschaft!

Wichtig sind auch andere demokratische Vertretungsorgane, etwa die stetige Arbeit von Studenten- und Schülervertretungen. Sie haben sich in den Bildungsstreiks vor sechs Jahren und danach hervorragend engagiert. Im Sommer 2009 sind mehr als 270.000 Schüler und Studenten an dezentralen Demonstrationen für den unbeschränkten Zugang zur Bildung und die Demokratisierung von Schulen und Hochschulen auf die Straße gegangen. Im Herbst desselben Jahres waren es noch einmal 85.000 Studierende und Schüler. Die Proteste der Schüler richteten sich gegen das dreigliedrige Schulsystem, G8, zu große Klassen und Kopfnoten. Ihre Aktionen hatten einen größeren Umfang als den „Lucky Streik“ vom Dezember 1997, der wiederum der größte seit den siebziger Jahren war, zum Teil wurden die Hochschulen mehrere Wochen lang bestreikt. Am 27. November 1997 versammelten sich im Bonner Hofgarten etwa 40.000 Teilnehmer.

Drittens möchte ich die Bewegungen gegen Maßnahmen der EU nennen. Als erstes den Europäischen Bürgerentscheid „Wasser ist Menschenrecht“, Initiator war der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), Ver.di ist die ihm angeschlossene Gewerkschaft. Es ging um die Verhinderung einer europäischen Richtlinie, welche die Privatisierung der kommunalen Wasserversorger mittels EU-Recht erzwingen wollte. 2013 wurde die notwendige Zahl von Unterschriften, mehr als anderthalb Millionen, erreicht und der Ausschluss des Wassersektors von der EU-Konzessionsrichtlinie zugesichert. Damit war ein wichtiger Sieg im weltweiten Kampf gegen die Wasserprivatisierung errungen. Einige von Euch werden sich an den Versuch der EU erinnern, die Richtlinie Port Package II zum Zweck der Liberalisierung der Hafendienste durchzusetzen. Sie ist im Januar 2006 am Widerstand der Hafenarbeitergewerkschaften gescheitert. Im selben Jahr wurden auch der Bolkestein-Dienstleistungsrichtlinie, die den Handel mit Dienstleistungen liberalisieren sollte, durch europaweite Streiks und Demonstrationen einige schlimme Zähne gezogen. Eine andere wirtschaftliche Entscheidung war die über Fiskalpakt und ESM. Hier gab es trotz vielfältiger Aktionen allenfalls eine Verzögerung durch das BVerfG. Aber auch der Kampf gegen TTIP gehört in diese Kategorie, hier hat der Kampf schon ein entscheidendes Niveau erreicht. Die Wirtschaftsseiten von FAZ und anderen bürgerlichen Zeitungen jammern hörbar.

Viertens: Die Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenlasten „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ mit großen Demonstrationen in den Jahren 2008 bis 2010.

Fünftens: Bewegungen gegen Privatisierung, wir erinnern uns an solche gegen Cross Border Leasing, gegen PPP, die sich aus kommunalen Initiativen entwickelte. Werner Rügemer hat seinerzeit mit seinen Arbeiten entscheidend zur Aufklärung beigetragen. Den Anfang machten die Bürger von Kulmbach mit einem Bürgerentscheid im November 2002. Heute werden die Verträge nach Möglichkeit in aller Stille rückabgewickelt.

Sechstens: Gegen Vorratsdatenspeicherung, ACTA, Geheimdienstausforschung, für informationelle Selbstbestimmung. Ihr erinnert Euch an die NSA-Affäre. Bis Mai 2013 war Edward Snowden technischer Mitarbeiter der US-amerikanischen Geheimdienste CIA und NSA. Er übermittelte Informationen über US-amerikanische Ausforschungsprogramme. Am 9. Juni 2013 stellte sich Snowden der Öffentlichkeit in Hongkong vor. Der FBI erwirkte darauf einen Haftbefehl wegen Spionage. Seit dem 1. August gewährt ihm Russland Asyl. Der Historiker Foschepoth schrieb zu den Kompetenzen, die fremde Geheimdienst bei uns haben: „Konkret bedeutet dies, dass sich die Westdeutschen verpflichteten, sämtliche Informationen, die aus Gründen der inneren Sicherheit anfielen, an die Amerikaner, Briten und Franzosen weiterzureichen. [...]Darüber hinaus waren die westlichen Geheimdienste jetzt befugt, Einzelüberwachungen – soweit sie Fragen der inneren Sicherheit betrafen – über das Bundesamt für Verfassungsschutz, und allgemeine Überwachungen – soweit sie Fragen der strategischen Sicherheit betrafen – über den Bundesnachrichtendienst zu beantragen und von den jeweils zuständigen deutschen Diensten durchführen zu lassen.“ (Josef Foschepoth, Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen 2012) Die Bewegung gegen alle möglichen Formen elektronischer Überwachung hat im Jahr 2006 zur Gründung der Piratenpartei geführt, die sich um eine demokratische Netzpolitik bemüht, analog zu den Grünen, die aus der Ökologie und Anti-Atomkraftbewegung hervorgegangen sind.

Siebtens: Anläßlich der Havarie von Fukushima vor genau 4 Jahren, schwollen die Demonstrationen gegen die Atomkraft so an, daß Frau Merkel zur Energiewende gezwungen wurde.

Achtens: Soziale Probleme des Wohnens und Mieterkonflikte werden in der Regel bei den örtlichen Mietervereinen deponiert, gegenwärtig aber kommen Mieterinitiativen dazu. Es entstehen mit neuen Konflikten auch neue demokratische Initiativen gegen Zwangsräumungen und gegen die Raubzüge der Immobilien- und Energiekonzerne.

Neuntens: Auf dem Gebiet des Antifaschismus gibt es eine lange Tradition in der Bundesrepublik. Die Kölner erinnern sich an die Demonstration vom 9. November 1992 auf dem Offenbachplatz, wo Kurt Bachmann gesprochen hat. 20 000 Menschen. Arsch huh hat noch mehr Menschen mit einem Konzert an diesem Tag mobilisieren können und sich einer Bewegung angeschlossen, die für die Wahrung des Asylrechts, gegen Gewalt gegen Flüchtlinge wandte. In den vergangenen Jahren mobilisierte Pro Köln gegen den Moscheebau, versuchte in den Jahren 2008 und 2009 vergeblich, antiislamische „Kongresse“ durchzusetzen. Pro Köln scheiterte an der Gegenbewegung.
Generell gibt es in der Republik nach wie vor ein schnell mobilisierbares antifaschistisches Protestpotential, daß in diesem Winter bundesweit mindestens 200 000 Menschen auf die Straße brachte, als rassistische Initiativen wir Pegida und Kögida Stimmung gegen den Islam machten.

Zehntens: Die Friedensbewegung ist unterschiedlich mobilisierbar. Aber ihre Strukturen stehen parat. Ein Höhepunkt war nach den achtziger Jahren, als es gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen ging, der Januar 2003. Eine halbe Million Menschen in Berlin, mehrere Millionen auf der Welt, allein in Europa wollten an einem Tag, wenn ich mich richtig erinnere, 12 Millionen Demonstranten den Krieg gegen den Irak verhindern. Die Beunruhigung über die Kriegsgefahr, die von den Ereignissen in der Ukraine ausgeht, ist groß, hat aber noch nicht zu entsprechenden Massenaktionen geführt.

Elftens: Die Krise und ihre Folgen hat aber auch schon zu einer Reihe von neuen Organisationen und Bewegungsformen geführt. Ich spreche von Attac, den Sozialforen, Occupy mit seinen teilweise sehr spontanen Massenaktionen, die an zwei Samstagen im Oktober 2011 allein in Köln mehrere Tausend Menschen auf die Straße brachten, bundes- und weltweit Hunderttausende.

In diesen Bewegungen sind häufig die Gewerkschaften vertreten, manchmal führen sie sogar. Zu erwähnen sind insbesondere solche Aktionen, die sich europaweit gegen Maßnahmen der EU wenden. Wenn es um die Krisenfolgen geht und gegen Privatisierung sind die Gewerkschaften in der Regel dabei. Verdi war bei den Aktionen für Umfairteilen entscheidend. Unterschiedlich sind die Gewerkschaften in den neuen sozialen Bewegungen vertreten.
Ganz allgemein gesprochen, haben wir es mit demokratischen Bewegungen zu tun, in die in unterschiedlichem Maß soziale Motive einfließen. Vor unseren Augen spielt sich gerade in Griechenland ein Lehrstück über die herrschende Gewalt ab. Ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen der Bevölkerung setzen die Institutionen des Finanzkapitals durch, daß die griechischen Schulden bedient werden. Das Finanzkapital müßte andernfalls befürchten, daß weitere Länder Schuldenschnitte durchsetzen könnten.

Tatsächlich geht es um die Frage der Demokratie. „Reaktion auf der ganzen Linie“, so kennzeichnete schon Lenin die Politik des Imperialismus (Lenin, Bd. 22, S. 302).
An anderer Stelle sagte er: „Wie der siegreiche Sozialismus, der nicht die vollständige Demokratie verwirklicht, unmöglich ist, so kann das Proletariat, das den in jeder Hinsicht konsequenten, revolutionären Kampf um die Demokratie nicht führt, sich nicht zum Siege über die Bourgeoisie vorbereiten.“ (Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Lenin, Bd. 22, S. 145)

Auf dem 20. Parteitag waren wir uns in vielen Fragen uneinig. Aber in den „Antworten der DKP auf die Krise“ gab es eine Reihe unstrittiger Formulierungen. Sie betreffen insbesondere den Kampf um die Demokratie und sein strategisches Gewicht.
Beispielsweise: „Die Einschränkung von politischen Grundrechten erleben Menschen schon heute ganz konkret: bei betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen, bei Streiks, bei Protesten der ‚Empörten’ bzw. Occupy-Bewegung, bei antifaschistischen Aktionen, bei Protesten wie gegen ‚Stuttgart 21’, im Wendland, bei Aktionen gegen die Schließung und Privatisierung kommunaler Einrichtungen sowie individuell – so bei der Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei Hartz-IV-Sanktionen oder Rentenkürzungen in Ostdeutschland.“ [...]
„Mit dem Fiskalpakt soll nun in EU-Europa die reaktionäre Politik der Deregulierung, der Privatisierung, des Grundrechteabbaus beschleunigt und endgültig festgeschrieben werden.
Schon jetzt sind die Parlamente weitgehend entmachtet, nationale Souveränität wird eingeschränkt. [...]
All dies geschieht bei gleichzeitigem Ausbau von Überwachung, von Repression und bei rigorosem Abbau grundlegender politischer Bürger- und Freiheitsrechte, demokratischer und sozialer Arbeiterrechte.“
„In fast ganz Europa wachsen Protest und Widerstand, gehen Menschen gegen die Krisenpolitik der Herrschenden, für die Verteidigung sozialer und politischer Rechte, aber auch zunehmend gegen Rechtspopulisten und Faschisten auf die Straße.
Die Arbeiterklasse ist in diesen Auseinandersetzungen objektiv die entscheidende Kraft. Im Protest wie zur Veränderung der Verhältnisse: Generalstreiks der Gewerkschaften haben in Portugal, Spanien, Griechenland Hunderttausende, ja Millionen auf die Straße gebracht. Der Europäische Gewerkschaftsbund macht – mehr als früher – mobil, aber noch immer sind gemeinsame Kampfaktionen und deren Vernetzung ungenügend.“
„Bauern protestieren gegen die Diktate der großen Nahrungsmittelkonzerne. ‚Empörte’, Mitglieder der Occupy-Bewegung, der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung, der Gegner von Flughafenausbau und Nachtflügen zeigen ihren Protest gegen die Politik der Herrschenden bei Massendemonstrationen, Blockaden, Mahnwachen. Die Demonstrationen gegen ACTA, gegen die Vorratsdatenspeicherung zeigen, wie innerhalb kurzer Zeit – und unter Nutzung moderner Kommunikationsmittel – eine Bewegung zur Verteidigung der Demokratie, gegen den Ausbau des Sicherheitsstaates entstanden ist. Diese Bewegungen und Aktivitäten entwickeln sich relativ spontan an einzelnen Punkten, sind aber Ausdruck für die gewachsene Sensibilität für Themen des Demokratieabbaus.“
„Die DKP macht darauf aufmerksam, dass die Verteidigung demokratischer Rechte gegen die Angriffe der Herrschenden eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Friedrich Engels schrieb: ‚Selbst in dem äußersten Fall … wird der Arbeiterpartei nichts übrig bleiben, als die … Agitation für bürgerliche Freiheit, Pressfreiheit, Versammlungs- und Vereinsrecht … fortzuführen. Ohne diese Freiheiten kann sie selbst sich nicht frei bewegen; sie kämpft in diesem Kampf für ihr eigenes Lebenselement, für die Luft, die sie zum Atmen nötig hat.’(MEW, Bd. 16, S. 77)“

Unser Programm von 2006 hat die Frage nach der Demokratie vor dem Hintergrund neuer Herrschaftsformen des Imperialismus erörtert. Es heißt darin:

Der Staat wird zum Verwalter einer Politik, die weitgehend außerhalb seiner Souveränität beschlossen wird. Als Machtinstrument der Monopolbourgeoisie setzt er immer unverblümter eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit durch. An die Stelle der sozialen Integration tritt die Konfrontation. Der bürgerliche Staat verliert tendenziell seine Fähigkeit zur sozialen und politischen Vermittlung, weil die Basis für eine Organisierung stabilerer sozialer Kompromisse, die größere Teile der Gesellschaft einbeziehen, verloren geht. So wird die bürgerliche Demokratie ausgehöhlt und verliert ihren Inhalt. Bei Beibehaltung formaler Demokratie vollzieht sich der Übergang vom "Sozialstaat" zum autoritären "Sicherheitsstaat".
Die Tendenz des Imperialismus zur Reaktion im Innern nimmt zu. In Deutschland findet das seinen Ausdruck in den Angriffen auf die sozialen und demokratischen Errungenschaften der Arbeiterklasse. Mit Lohndruck, Deregulierung und Flexibilisierung, dem Schleifen der Sozialsysteme, dem Abbau der Tarifautonomie und der Einschränkung der Gewerkschaftsrechte soll der "Standort Deutschland" für den mit der Globalisierung verschärften Konkurrenzkampf fit gemacht werden. Mit dem Ausbau des Polizeistaates und der Möglichkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Innern unter dem Vorwand des "Kampfes gegen den Terrorismus" sollen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, jeden ernsthaften Widerstand gegen die sozialreaktionäre Politik und die Kriegspolitik zu unterdrücken. Die Verfassungskonformität verschärfter "Sicherheitsgesetze" wird kurzerhand durch entsprechende Anpassung des Grundgesetzes hergestellt. Und für alle Fälle liegen die Notstandsgesetze in der Schublade. Zur Reaktion im Innern gehört nicht zuletzt die Abschottung der "Festung Europa" gegen wachsende Kriegs- und Elendsflüchtlingsströme als Folge der imperialistischen Globalisierung.

Seit der Gründung der DKP steht Demokratie im Zentrum unserer Strategie unseres Kampfes um den Sozialismus. Der Essener Gründungsparteitag der DKP am 12. und 13. April 1969 formulierte in seiner Grundsatzerklärung: „Der Weg zur Lösung der Lebensfragen unseres Volkes in Gegenwart und Zukunft führt nur über die Entfaltung der politischen Aktivität und Selbsttätigkeit der arbeitenden Massen, über eine demokratische Erneuerung von Staat und Gesellschaft. Demokratische Erneuerung bedeutet die Beseitigung des Neonazismus und die Beendigung der militärischen Großmachtpolitik, die Einschränkung der Macht des Monopolkapitals und ihre schließliche Überwindung, die Umwandlung der Bundesrepublik in eine reale, fortschrittliche Demokratie. Demokratische Erneuerung bedeutet die Durchsetzung einer Politik des Friedens und der Sicherheit, die Anerkennung der DDR, die Verteidigung der demokratischen Rechte und die Aufhebung der Notstandsgesetze, den Kampf um die Erweiterung und den Ausbau der Demokratie, die Verwirklichung demokratischer Mitbestimmung und Kontrolle, die Durchsetzung sozialer Sicherheit und besserer Lebensverhältnisse, die Erkämpfung einer fortschrittlichen Bildungs- und Kulturpolitik.
Diese demokratische Erneuerung kann nur durch das Volk selbst errungen werden – in der gewerkschaftlichen Aktivität, im sozialen wie im politischen Kampf, in der außerparlamentarischen Aktion wie im Kampf um fortschrittliche Vertretungen in den Parlamenten. Die DKP erstrebt diese Umgestaltung auf der Basis der im Grundgesetz verkündeten demokratischen Prinzipien und Rechte...“ (weiter: Protokoll des Essener Parteitages, S. 226).

Die Thesen des Düsseldorfer Parteitags 1971 sagten: „Die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte und Freiheiten ist ein Grunderfordernis des erfolgreichen Kampfes der Arbeiterklasse und aller demokratischen Kräfte“ (These 4)
„Deshalb ist die Politik der DKP darauf gerichtet, die Arbeiterklasse und andere antimonopolistische Kräfte vom Kampf für ihre unmittelbaren sozialen und politischen Interessen über das Ringen für grundlegende antimonopolistische Umgestaltungen an die Erkenntnis der Notwendigkeit des Sozialismus und an die sozialistische Umwälzung heranzuführen.“ (These 9)

1978 hieß es im Programm des Mannheimer Parteitages: „Das dringendste Gebot der Zeit – das ist die entschlossene Verteidigung der vom arbeitenden Volk durchgesetzten sozialen und demokratischen Errungenschaften, das ist der aktive Kampf um die Erhaltung des Friedens. Es geht darum, im Ringen um den Schutz des Erreichten die Kräfte zu sammeln und zu entfalten für die Erweiterung der sozialen und demokratischen Rechte der Werktätigen, für die Zurückdrängung der Macht der Monopole. Es geht darum, das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse und der anderen demokratischen Kräfte zu verändern und eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt herbeizuführen.“

Anne hat auf unserer Klausur in Theegarten an die strategischen Aussagen erinnert, wie sie in unserem gültigen Parteiprogramm ausgeführt werden.
Unter der Überschrift: Für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt heißt es dort:
„Unter den gegebenen Bedingungen werden Abwehrkämpfe im Zentrum einer ganzen Kampfetappe stehen. Schon in diesen Auseinandersetzungen wird es nur dann wirkliche Erfolge geben, wenn ein qualitativ neues Niveau bei der Mobilisierung der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben und Verwaltungen, der Erwerbslosen, der Rentner, aller von der Demontage sozialer und demokratischer Errungenschaften Betroffenen, wenn ein neuer Aufschwung der Friedensbewegung und anderer demokratischer Bewegungen erreicht werden kann. Zugleich können und müssen in den Kämpfen um die Verteidigung des Erreichten die Kräfte gesammelt werden für fortschrittliche Reformen, für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt. Der Vernetzung der Kämpfe und Bewegungen über Ländergrenzen hinweg kommt unter den Bedingungen der Globalisierung eine immer größere Bedeutung zu“ (Abschnitt IV)

„In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in denen die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt.
Die DKP hält es für möglich und notwendig, dass im Ergebnis des antimonopolistischen Kampfes solche und andere antimonopolistisch-demokratische Umgestaltungen durchgesetzt werden, die zur Zurückdrängung der Allmacht des Monopolkapitals und zur Erweiterung der Einflussnahme der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten führen und so dazu beitragen können, den Weg für den weiteren Kampf um den Sozialismus freizumachen. Der wesentliche Schritt muss die Überführung der Banken und Versicherungskonzerne sowie der produktions- und marktbeherrschenden Konzerne in anderen strategischen Wirtschaftsbereichen in demokratisch kontrolliertes öffentliches Eigentum sein.“

„Dieser Kampf kann in antimonopolistische Übergänge einmünden.
Voraussetzung dafür ist, dass der antimonopolistische Block über so viel außerparlamentarische Kraft und parlamentarischen Einfluss verfügt, dass er eine die gemeinsamen Interessen vertretende Regierung bilden kann. Gestützt auf starke außerparlamentarische Bewegungen, die Organisationen der Arbeiterbewegung und den Aufbau einer neuen demokratischen Macht können tief greifende politische und ökonomische Umgestaltungen eingeleitet werden, in deren Ergebnis die Macht des Monopolkapitals gebrochen wird.“ (Abschnitt IV)

Also: knapp zusammengefasst werden folgende Etappen bzw. Übergänge
beschrieben:
1. Sammeln fortschrittlicher und demokratischer Kräfte für eine Wende zum demokratischen und sozialen Fortschritt mit dem Ziel das Kräfteverhältnis zu verschieben.
2. Bildung von Allianzen und Stabilisierung der Bündnisbeziehungen.
3. Bildung eines festen gesellschaftlichen Blocks mit dem Ziel die Kräfteverhältnisse so zu verschieben, dass gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommen.
4. Antimonopolistischer Block mit tiefer außerparlamentarischer und parlamentarischer Verankerung und der Möglichkeit der Regierungsbildung
5. Revolutionärer Bruch

Vor diesem Hintergrund ist der Gebrauchswert des Leitantrags daraufhin zu untersuchen, was er zum Thema Demokratie und zum Kampf um Demokratie als Teil unseres Kampfes um den Sozialismus in Erinnerung ruft und aktualisiert. Was teilt er über die Aufgaben von Kommunisten auf diesem Kampffeld mit?

Es heißt da (Zeile 157-169) : „Gerade die Einordnung unserer aktuellen Kämpfe in eine Strategie des revolutionären Bruchs mit dem Kapitalismus und die Suche nach Übergängen zum Sozialismus sind unverzichtbar. Die Beachtung der Dialektik von Reform und Revolution unterscheidet die Kommunistische Partei von Organisationen, die auf sogenannte „Reformalternativen“, „Transformationskonzepte” und „wirtschaftsdemokratische Modelle“ orientieren, die diesen Unterschied verwischen. Kommunistinnen und Kommunisten wissen um die Notwendigkeit, aber auch um die Grenzen von Reformen im Kapitalismus. Sie wissen, dass es „grundsätzlich falsch ist, sich die gesetzliche Reformarbeit bloß als die in die Breite gezogene Revolution und die Revolution als die kondensierte Reform vorzustellen”. (Rosa Luxemburg) Die Überwindung des Kapitalismus setzt den revolutionären Bruch voraus. Die DKP setzt sich zugleich in Reformkämpfen für die Gegenwartsinteressen der arbeitenden Menschen ein. Es gibt für sie keine nebensächlichen Fragen, wenn es um die heutigen Belange und Interessen der Arbeiterklasse geht. Der sprichwörtliche „Kampf um das Teewasser“ in den Betrieben und in den Kommunen bleibt ein unverzichtbares Markenzeichen kommunistischer Politik.“
Dazu ist folgendes zu sagen:
1. Das Revolutionäre an der Revolution ist nicht ihre Form, sondern der Inhalt. Andernfalls geraten Strategie und Taktik zu Kraut und Rüben. Und das tun sie im Leitantrag.
2. Es wird nicht unterschieden zwischen politischen, ökonomischen und ideologischen Kampffeldern. Beispiel: im ökonomischen Kampf, etwa wenn die Gewerkschaften um den Preis der Ware Arbeitskraft ringen, haben wir es mit Menschen an unserer Seite zu tun, die sich auch ihre Gedanken machen, wenn wir Glück haben, aber in der Regel noch nicht den Sozialismus als politisches Ziel favorisieren, sondern noch unrevolutionär ihre Hoffnung auf Verbesserungen setzen, ohne das Privateigentum an Produktionsmitteln in Frage zu stellen. So eine Hoffnung, wenn sie entwickelt ist, heißt dann schon mal Reformalternative, Transformationskonzept oder Wirtschaftsdemokratie und übersieht womöglich die Machtfrage. Wir dürfen sogar davon ausgehen, daß solche merkwürdigen Menschen durchaus engagiert sind im Kampf um ihre ökonomischen Interessen. Wir sollten sie darin bestärken und unseren Einsatz für die Belange der Klasse an ihrem Engagement messen. Im wünschbaren Erfolgsfall, der vielleicht sogar Vertrauen schafft, kann man ja mal über weitergehende Ziele plaudern. In dem Fall hätten wir es mit ideologischem Kampf zu tun. So entsteht die Chance, daß man uns zuhört, und der Kreis der für den Sozialismus Kämpfenden erweitert wird.
3. So eine Reform ist manchmal ein ganz vertracktes Ding. Wir wollen mal voraussetzen, daß sie den Arbeiterinteressen dient. Gerne aber bleibt ihr Doppelcharakter verborgen. Manchmal entwickelt sich die Reform. Ein und dieselbe ist mal so und mal so. Mal ist sie ein Kampfziel, mal unerreichbar, mal schafft sie Illusionen. Mal beruhigt sie, mal mobilisiert sie. Gegenwärtig kämpfen wir für den Erhalt der Rente. Bismarck bekämpfte seinerzeit mit dieser Reform die Sozialdemokraten.
Für Adenauer war die dynamische Rente eine Waffe im Klassenkampf. Jetzt hätten wir sie gern zurück.
Die Schüler haben die Kopfnoten wegbekommen. Das hat sie beruhigt. Nunmehr haben sie wenig Veranlassung, auf die Straße zu gehen.
Die Studiengebühren sind abgeschafft. Ist jetzt alles in Ordnung? Leider steht der Durchgriff der Konzerne und Banken an den Hochschulen und ihren Organen nicht mehr auf der Protestagenda der Studenten.
Darf uns der Sieg im Kampf gegen die Konzessionsrichtlinie Wasser beruhigen?
Vor allem: In welcher Weise kommt der Kampf um Demokratie im Leitantrag vor?
4. „Wirtschaftsdemokratische Modelle“ werden abfällig erwähnt, weil sie den Unterschied zwischen Reform und Revolution verwischen würden. Das würden sie doch nur tun, wenn wir diesen Unterschied nicht mehr kennen und erklären könnten.
Immerhin wird im Leitantrag drei Mal von demokratischen Rechten gesprochen und dabei festgestellt, daß es Angriffe auf sie gibt, daß sie abgebaut, außer Kraft gesetzt werden:
„Wesentliche Angriffe auf soziale und demokratische Rechte, wie die Agenda 2010, wurden durch die Gewerkschaften kaum bekämpft.“ (Z. 104/105) – Da haben wir sie, die Schuldigen!
„Demokratische Rechte werden abgebaut, politisch Aktive bespitzelt.“ (Z. 138/139)
„Während die Bourgeoisie weitere Schichten der Arbeiterklasse in die Armut treibt und soziale und demokratische Rechte außer Kraft setzt, kanalisieren Neofaschisten die berechtigte Unzufriedenheit und Wut mit ihrer sozialen Demagogie.“ (Z. 345 f.)
Nur indirekt sind wir aufgefordert, uns für den Erhalt demokratischer Rechte einzusetzen. Das ist zu wenig. Der Kampf um Demokratie ist ein Grundbestandteil unserer Strategie und sollte so auch im Leitantrag vorkommen.

Klaus, 10. März 2015