Trumps kurzer Zollkrieg

Dead man walking

Am Mittwoch, den 2. April, lässt Trump ein Rednerpult in den Rosengarten hinter dem Weißen Haus stellen, bittet seine Entourage samt Pressepuppen auf die Gartenstühle, verkündet Zölle und erhebt diesen Tag zum Liberation Day, zum Tag der Befreiung.
Der US-amerikanische Präsident begründet seine Maßnahmen mit dem US-Handelsbilanzdefizit. Im Jahr 2024 haben die USA für 918 Milliarden Dollar mehr an Waren aus dem Ausland bezogen, als sie exportierten. Trump sagt aber, das Land würde von seinen Handelspartnern über den Tisch gezogen. Die Zölle sollen das Defizit ausgleichen. Und er kündigt an, dass ab dem 5. April Einfuhren aus 185 Ländern pauschal mit Zöllen von zehn Prozent belegt würden. Auf diesen Grundstock kommen weitere, je nach Land unterschiedliche Zollsätze. Das ist eine lange Liste von Ländern, die er auf großen Tafeln in die Kameras reckt.

Die neuen Zollsätze sollen ab dem 9. April gelten. Trump beruft sich auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) aus dem Jahr 1977. Also auf einen Notstand. Auf dieser Grundlage hatte er schon im Februar auf chinesische, mexikanische und kanadische Waren Zölle verhängt. Angeblich ging es dabei um Strafmaßnahmen im Kampf gegen das Opioid Fentanyl und die illegale Einwanderung.

Die jeweilige Länderquote errechnet sich gemäß der folgenden Formel: das Handelsdefizit der USA mit einem bestimmten Land wird durch die Gesamtexporte dieses Landes in die USA geteilt und dann halbiert. Folglich kommt Trump auf die 39 respektive 20 Prozent im Falle der EU: Der Handelsüberschuss von 235,6 Milliarden Dollar wird geteilt durch 605,8 Milliarden Dollar Exporte. Das ergibt 0,39 - also in der Trumpschen Mathematik einen Zollsatz der EU auf US-Waren von 39 Prozent. Der errechnete Zollsatz von 39 Prozent wird großzügig halbiert. Das Resultat – zauber, zauber! - ergibt wiederum aufgerundet den neuen US-Zollsatz auf EU-Importe von 20 Prozent.

Offenbar will die neue Regierung der USA mittels Zolleinnahmen Steuersenkungen finanzieren. Sie beeinträchtigt damit aber den Welthandel sowie die Industrieproduktion, nicht zuletzt Gewinne von US-amerikanischen Firmen. Tatsächlich aber droht nicht nur eine Rezession der US-Wirtschaft, sondern auch eine Finanzkrise, sobald die exorbitanten US-Staatsschulden wegen steigender Zinsen nicht mehr zu bedienen sind.

Neokoloniale Umverteilung

Sehr kleine Handelspartner werden mit hohen Zöllen traktiert, etwa Syrien und Myanmar. Die härtesten Zölle belaufen sich auf 50 Prozent. Sie treffen exemplarisch den afrikanischen Kleinstaat Lesotho. Lesotho hat 2,3 Mio Einwohner und ist vollständig von der Republik Südafrika umschlossen. Es gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. AIDS ist dort das größte Problem, gesundheitlich und demographisch. Im Jahr 2017 war ein Viertel der 15- bis 49-Jährigen damit infiziert. Zudem belegt Lesotho laut WHO bei den Suizidraten weltweit mit Abstand den Spitzenplatz. Bislang kam es in den Genuss des African Growth and Opportunities Act (AGOA). Das ist ein Programm der US-Regierung, das vorgibt, die Wirtschaft in Afrika durch zollfreie Einfuhren in die USA zu stimulieren, aber allemal die Bevölkerungen botmäßig hält. Das Programm ist im Jahr 2000 beschlossen worden.

In Lesotho werden Jeans US-amerikanischer Modemarken von etwa 35.000 Näherinnen und Nähern produziert und in die USA exportiert. Im Gegenzug kommen nur wenige US-amerikanische Waren in das Land. Folglich wird Lesotho zu den Ländern gezählt, die laut Trump die USA schlecht behandeln. Ähnlich soll es die Inselgruppe Saint-Pierre und Miquelon treffen, die zu Frankreich gehören.

Es folgen Kambodscha mit einem Zollsatz von 49 Prozent und Laos von 48 Prozent vor Madagaskar mit 47 Prozent. Vietnam muss 46 Prozent verkraften. In diesem Land lässt der US-Sportartikelkonzern Nike laut Süddeutscher Zeitung (5. April 2025) die Hälfte seiner Schuhe und ein Viertel der Textilien fertigen. Rechnet man Indonesien (32 % Zoll) und China (vor drei Wochen noch 34 %, mittlerweile 145 % Zoll) hinzu, sind 95 % der Nike-Produkte von den Zöllen betroffen. Diese Produkte sind für den US-Markt bestimmt. Naturgemäß kann der Nike-Konzern keinerlei Interesse haben an einer Zollpolitik, die seine Produktionskosten massiv erhöht – und steht damit exemplarisch für viele Unternehmen mit globaler Produktion (siehe Franz Garnreiter, ISW, „Trumps Zollkrampf: Schwere Verkennung der Kapitalinteressen“, 11. April 2025).

Weniger harte Zölle stehen für Großbritannien, Brasilien und Singapur auf den Tafeln - Staaten, die im vergangenen Jahr Handelsdefizite gegenüber den USA aufwiesen. Dennoch soll für sie der Basiszollsatz von zehn Prozent gelten.
Zudem gibt es Zölle für bestimmte Warengruppen. Auf alle in die USA importierten Autos, versprach Trump, werden sie in Höhe von 25 Prozent erhoben. Für Autoteile soll diese Strafmaßnahme spätestens ab 3. Mai greifen. Auch die Stahl- und Aluminiumeinfuhren werden mit 25 Prozent belegt.

Die Reaktion der Finanzmärkte

Dieser Ankündigung folgen weltweit prompt Turbulenzen an den Finanzmärkten. Die Börsen stürzen ab. Am 7. April bricht der DAX im frühen Handel um bis zu 10,4 Prozent auf 18.489 Punkte ein, kann sich aber wieder erholen und zur Mittagszeit sein Minus auf rund vier Prozent begrenzen. Doch es ist bereits der dritte tiefschwarze Handelstag in Folge.
In Japan rutschte der Nikkei-Index um rund sieben Prozent ab. Beim Dow-Jones-Index beträgt der Abschlag am 9. April 16 Prozent. „Steile Talfahrt an den Börsen“ übertitelte die FAZ einen Artikel am 10. April.
Am Montag, 7. April, verlieren Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank mehr als acht Prozent. Anlegerinnen und Anleger fürchten, dass die US-Zollerhöhungen eine globale Rezession auslösen könnten.
Viel Geld wird in diesen Tagen mit Leerverkäufen verdient. Laut Bloomberg verbuchen Aktienhändler, die auf fallende Kurse gewettet haben, in nur sechs Handelstagen knapp 160 Milliarden Dollar an Gewinnen, nachdem der amerikanische Aktienmarkt um mehr als zehn Prozent abgestürzt ist (FAZ 10. April). Es wird zudem gemunkelt, dass Banken von sinkenden Zinsen bei kurzen Laufzeiten und anziehenden Renditen profitieren, „die auch durch angebliche Verkäufe des großen Gläubigers China hervorgerufen werden.“ Dieses Gerücht aber weist immerhin auf die hohen Bestände von Anleihen, die von Ausländern („Major Foreign Holders of Treasury Securities“) gehalten werden, nämlich in Höhe von 8817.2 Milliarden, also fast 9 Billionen Dollar.

Nach Angaben des US-Schatzamtes verfügt allein Japan im Februar 2025 über US-Staatsanleihen in Höhe von 1125.9 Mrd Dollar,

  • die Volkrepublik China über 784.3 Mrd,
  • Großbritannien 750.3 Mrd,
  • Cayman Islands 417.8 Mrd,
  • Luxembourg 412.5 Mrd, ...
  • Deutschland 103.8 Mrd.

In der Summe sind es („Grand Total“) 8817.2 Mrd Dollar („Of Which: Foreign Official“): 3898.7 Mrd Dollar. https://ticdata.treasury.gov/resource-center/data-chart-center/tic/Documents/slt_table5.html

US-Staatsanleihen gelten in der Regel als „sicherer Hafen“ für Anlegerinnen und Anleger, wenn die Aktienkurse fallen. Aber am Dienstag, 8. April, sind die Kurse an den US-Anleihemärkten in die Tiefe gerauscht - parallel zu den einbrechenden Aktienkursen. Außerdem gab der Dollar nach. Paul Diggle, Chefökonom des britischen Vermögensverwalters Aberdeen, zeigt sich alarmiert: „Fallende Aktienkurse, ein schwächerer US-Dollar und zugleich steigende Anleiherenditen stellen eine toxische Kombination dar. In jedem anderen Land würde man dies vermutlich als Staatskrise bezeichnen." (Tagesschau online vom 9. April)
Martin Hock am 10. April in der FAZ: „Jede Ära hat ihre Gewissheiten. Wenn Aktienkurse fallen, kauft man Anleihen. Wenn Unsicherheit herrscht, flüchtet man in den Dollar und in Gold. Nun, aus Unsicherheit darüber, wie sich die Wirtschaftsordnung der Welt und ihre konjunkturelle Situation entwickelt, fehlt es derzeit gewiss nicht. Nur: Es sind just die USA, von denen aus ein Hurrikan zu kommen scheint, der über die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte hinwegfegen könnte.“

Der Rückzug

Angesichts dessen zieht Trump die Notbremse und verkündet am 9. April die Aussetzung der umstrittenen neuen Zölle für 90 Tage. Bis auf eine Ausnahme. Für Einfuhren aus der Volksrepublik China, die 2024 einen Handelsüberschuss von 992 Milliarden Dollar erzielte, sollen die neuen Zölle sogar auf 145 Prozent erhöht werden. China steigert im Gegenzug die Zölle schrittweise auf 125 Prozent.

Aber auch die Maßnahmen gegen China erweisen sich als nicht zuende gedacht. Schon zwei Tage später macht die US-Regierung einen weiteren Rückzieher. Offenbar ist aufgefallen, dass eine ganze Reihe von Elektronikartikeln US-amerikanischer Marken in China hergestellt wird, andere wiederum unersetzbare Vorprodukte von Geräten sind, die in den USA oder auf dem Weg dorthin zusammengefügt werden.

Beispielsweise werden die meisten iPhones, Einzelteile und weitere Geräte von Apple in China gebaut: 80 % des Apple-Angebots. Der Kurs der Apple-Aktie war in den beiden Tagen nach den Zollankündigungen um 16 % gefallen, erheblich mehr als der übrige Aktienmarkt. Am 7. April stürzte der Kurs noch einmal um sechs Prozent in die Tiefe. Apples Börsenwert hatte in diesem Jahr schon mal bei 3,5 Billionen Dollar gelegen, am 8. April fiel er auf 2,8 Billionen Dollar. Dabei gehört Apple-Chef Tim Cook zu den Unterstützern von Trump, versprach immer wieder, 500 Mrd Dollar in den Heimatmarkt zu investieren.

Zulieferer von Apple waren betroffen. Nintendo und Sony aus Japan sowie einige chinesische Firmen büßten mehr als 10 % ein, aber auch der größte Halbleiterproduzent der Welt, TSMC aus Taiwan, verlor allein am 7. April 10 % seines Börsenwertes.
Nach Trumps Kehrtwende listet ein Dokument der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde etwa 20 chinesische Produkte auf, die nunmehr von den Zollerhöhungen ausgenommen werden sollen, darunter Smartphones, Computer, Festplatten, Halbleiter, Flachbildschirme. Solche Produkte machen etwa 44 % der chinesischen Exporte in die USA aus. Künftig wird der Zollsatz wie bisher 20 % betragen. Laut Tagesschau beruft sich die Behörde bei dieser Ausnahmeregelung auf ein Memorandum von US-Präsident Donald Trump vom 11. April. Das Weiße Haus selbst hatte dieses Memorandum zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht.

Die Wahrnehmung der neuen globalen Kräfteverhältnisse ist offenbar ein schwieriger, zeitraubender und zuweilen schmerzhaft teurer Prozess. Mittlerweile machen die Exporte in die USA gerade mal 3 % des chinesischen BIP aus. Chinas Exporte repräsentieren heute nur noch 19,7 % des BIP, gegenüber 36 % im Jahr 2006. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 43,4 %, Südkorea: 44 %, USA: 11 %, Japan: 21,8 %, Weltdurchschnitt: 29,27 % (siehe Conrad Schuhler: USA – China: Beginn eines sehr langen Spiels, 18. April 2025).

Ein weiteres Problem, das zuvor nicht bedacht worden ist: China produziert den größten Teil der weltweiten Seltenen Erden und 90 Prozent aller Seltenerdmagnete. Seltene Erden sind mittlerweile unentbehrlich in der Automobil-, Luft- und Raumfahrt-, Halbleiter- und nicht zuletzt in der Rüstungsproduktion. Schon zwei Tage nach dem sogenannten Befreiungstag hatte China die Liste der kritischen Rohstoffe erweitert, die ohne Genehmigung nicht ausgeführt werden dürfen.
Exporteure müssen nun beim Handelsministerium Lizenzen beantragen, ein Verfahren, das zwischen sechs Wochen und mehreren Monaten dauern kann. „Wenn den Fabriken in Detroit und anderswo die leistungsstarken Seltenerdemagnete ausgehen, könnte sie das daran hindern, Autos und andere Produkte mit Elektromotoren zu montieren“, schreibt die New York Times.

Der Anleihemarkt

Es deutet sich mittlerweile eine Niederlage der neuen US-Regierung in diesem Zollkrieg an. Zudem unterschätzen Trump und seine Leute die Fragilität des Finanzsystems.
Jerome Powell, Präsident der amerikanischen Notenbank FED, lehnt es ab, die Kurse am US-Anleihe- und Aktienmarkt zu stützen, auch noch, als am 18. April der Wertverlust der Aktienindizes Dow Jones und Nasdaq schon mehr als 20 Prozent (ab Februar) beträgt.

Er hatte sich anlässlich der Zentralbanksitzung zwei Tage zuvor skeptisch zur Lage der US-Wirtschaft und dem Zollstreit geäußert. „Die bisher angekündigten Zollerhöhungen sind deutlich größer als erwartet, und das Gleiche dürfte für die wirtschaftlichen Auswirkungen gelten, zu denen eine höhere Inflation und ein langsameres Wachstum gehören werden.“ Es gebe Hinweise, dass sich das US-Wachstum im ersten Vierteljahr im Vergleich zum Vorjahr verlangsamt habe. Außerdem werde der Handelsstreit höchstwahrscheinlich zu einem zumindest vorübergehenden Anstieg der Inflation führen. Unter Hinweis auf Trumps Zollkrieg wird von der Zentralbank die Prognose für das Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent (Schätzung im Dezember) auf 1,7 Prozent herabgesetzt und für die Inflation von 2,5 auf 2,7 Prozent angehoben. Den Leitzins lässt die FED indes unverändert bei 4,25 bis 4,5 Prozent. Aber zur Minderung des Rezessionsrisikos reduziert sie ihre Anleihenverkäufe von jetzt noch 25 Milliarden US-Dollar monatlich auf fünf Milliarden US-Dollar.

Hauptindiz dieses Risikos ist die deutliche Wertminderung der Staatsanleihen. Deren Renditen stiegen und erreichten in der Spitze 4,51 Prozent. Noch am Montag, den 7. April, hatten sie weniger als 3,9 Prozent betragen. Wegen der Festverzinsung steigt die Rendite im Maße der Wertminderung des Papiers. Und in diesen Tagen ungewöhnlich plötzlich.

Auf die Frage, ob die Notenbank bei einem Markteinbruch eingreifen würde - ein sogenannter „Fed put“ - antwortete Powell mit Nein. Am gegenwärtigen Leitzins wird festgehalten. Die nächste Entscheidung darüber steht im Mai an.
US-Präsident Trump fordert von Jerome Powell immer wieder, die hohen Zinsen zu senken. Aber Powell gehorcht nicht. Trump drängt daraufhin auf seine Entlassung. „Powells Kündigung kann nicht schnell genug kommen“, schreibt Trump auf seiner Plattform Truth Social am 17. April. Aber sechs Tage später macht Trump auch diesbezüglich einen Rückzieher.

Allerdings ist der Konflikt mit der FED nur aufgeschoben. Denn es bleibt bei Trumps Plan „Project 2025“ (The Heritage Foundation „Mandate for Leadership 2025: The Conservative Promise“ - „Mandat zur Führung. Das konservative Versprechen“ -, Washington 2023, Seite 732 ff), der eine „Verkleinerung der Bilanz der Federal Reserve“ verspricht.

Dort heißt es: Seit der Krise von 2008 hätten sich die Vermögenswerte der Nationalbank explosionsartig vermehrt. Die Federal Reserve besitze gegenwärtig fast 9 Billionen Dollar, hauptsächlich Bundesschulden (5,5 Billionen Dollar) und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere (2,6 Billionen Dollar) und es gebe derzeit keine staatliche Aufsicht über die Arten von Vermögenswerten, die die Federal Reserve kauft. Ihre Käufe hätten zwei wesentliche Auswirkungen: Sie förderten Bundesdefizite und stützten politisch begünstigte Märkte, zu denen der Immobilienmarkt und sogar Unternehmensschulden gehören. Mehr als die Hälfte der Defizite der COVID-Ära wären durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Federal Reserve monetarisiert und die Immobilienkosten durch den Ankauf von Hypothekenpapieren auf historische Höchststände getrieben worden. Zusammengenommen subventioniere diese Politik die Staatsverschuldung. Soweit „Project 2025“.
In der Tat betrug im März 2025 die Staatsverschuldung insgesamt 36,5 Billionen US-Dollar oder 123 % des Bruttoinlandprodukts. Voraussichtlich dürfte sich ihr Anstieg nochmals beschleunigen, plant der US-Präsident doch weitreichende Steuererleichterungen. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) würde die Schuldenquote (= Höhe der Gesamtverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) der Vereinigten Staaten 2025 auf 124,1 Prozent steigen. Damit wären weltweit nur sieben Länder höher verschuldet als die USA.

Die Aufhebung der Schuldenbremse

Zum Vergleich: Für Deutschland rechnet der IWF mit einer Schuldenquote von 62,1 Prozent in diesem Jahr. Ohne die Lasten neuer Kredite zahlt der Bund auf der Grundlage dieses Schuldenniveaus jetzt schon 40 Milliarden Euro pro Jahr an Zinsen, fast ein Zehntel des Bundeshaushalts. Aber diese verhältnismäßig gering erscheinende Schuldenlast der Bundesrepublik lockt gegenwärtig Kapital nach Europa. Jedenfalls sind es nicht die Dividendenrenditen, die den Kapitalfluss erklären könnten. Der DAX hält sich mittlerweile auf dem Niveau von vor dem 2. April. Womöglich infolge der Aufhebung der Schuldenbremse.

Am 18. März 2025 hatte der abgewählte und nur zu diesem Zweck zusammengerufene alte Bundestag die Aufhebung der Schuldenbremse mit den Stimmen der Grünen beschlossen. Knapp gesagt, sind sogenannte Sondervermögen beschlossen worden.

  1. Für Infrastruktur eine halbe Billion Euro,
  2. fürs Militär beliebig viel, sobald es über ein Prozent des BIP, etwa 44 Mrd Euro, hinausgeht.
  3. Auch die Bundesländer können Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen (umgerechnet etwa 15 Mrd Euro).

Finanziert wird dieses Paket in der geschätzten Höhe von 1,8 Billionen Euro durch Staatsanleihen.

Bemerkenswert ist, dass der Kreditbedarf quantifiziert worden ist, bevor die angeblich dringenden Maßnahmen der Aufrüstung und solche der Infrastruktur einzeln erörtert, politisch ausgehandelt und ihre Kosten addiert worden sind.

Das fiel André Berghegger (CDU) auf, seit einigen Monaten Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Er wurde in der Kölnischen Rundschau zu den Sondervermögen interviewt (22. März 2025). Frage: „Was ist eigentlich mit Reformen und Einsparungen – braucht es diese nach den Beschlüssen dieser Woche nicht mehr?“ - „So wird es nicht kommen! Ja, der alte Bundestag hat den Weg für eine höhere Verschuldung für die notwendigen Investitionen frei gemacht. Die künftige Regierung muss nun im neuen Bundestag Reformen angehen und konsolidieren. Denn ein Strohfeuer durch Investitionen macht uns nicht handlungsfähig. Zugegeben, die Reihenfolge mag merkwürdig erscheinen, das stimmt wohl. Aber angesichts der gegebenen Mehrheiten war es nicht anders möglich.“

Stattdessen wird als erstes der Gesamtumfang der Fonds festgelegt, aus denen die Investitionen bezahlt werden sollen. Das ist verräterisch. Das am 21. März im Bundesrat durchgewunkene Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro oder mehr trägt offenbar nicht so sehr spezifischen Vorhaben maß- und planvoll Rechnung, sondern dem Druck überakkumulierter Kapitalmassen, deren Eigentümerinnen und Eigentümer rentierliche Anlagegelegenheiten und ein Mindestmaß an staatlich garantierter Verwertung erwarten. Kurz: den Zwängen der schon lange schwärenden Überproduktionskrise. Der Flut anlagesuchenden Geldkapitals werden staatlicherseits Fonds, Sondertöpfe, Sondervermögen und ähnliches angeboten. Sie sollen vor der fälligen Entwertung retten. Schon die gescheiterte Ampelregierung hatte solche Sondervermögen bereit gestellt – vorneweg eins für Aufrüstung mit 100 Mrd Euro, aber am Ende standen 29 Sondertöpfe parat.

Diese Form der Krisenbewältigung hat Züge von Panik. Allemal ist sie zu kurz gedacht. Denn der Verwertungszwang wiederholt sich in kurzer Frist auf neuer Stufe. Die Krisenerscheinungen mehren sich. Überschüssiges Kapital drängt in die Rüstung und zum Krieg. Das Finanzwesen gehört in Gemeineigentum, damit es dem Frieden dienen kann.

Klaus, MV der DKP Köln Innenstadt, 28. April 2025


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